Gestern feierten 400 Ehrengäste den 85. Geburtstag von Siegfried Lenz. Dabei wurden allerdings nicht nur Nettigkeiten ausgetauscht.

Hamburg. Eine Weltpremiere gab's, harsche Kritik am deutschen Außenminister, dazu kurzweilige Melodien und natürlich ganz viel Lob und liebe Worte. Sehr unterhaltsam kam sie also daher, die Matinee zu Siegfried Lenz' 85. Geburtstag. Die Feierstunde gestern Mittag im mit rund 400 Gästen voll besetzten Rolf-Liebermann-Studio des NDR in Harvestehude, sie war in etwa so, wie Festredner Christian Wulff Siegfried Lenz charakterisierte: "heiter und melancholisch".

Christian Wulff? Jawohl, der Bundespräsident höchstselbst kam zur Gala für Siegfried Lenz. Der sich als Autor sowie als politisch Engagierter "unschätzbar verdient" um Deutschland gemacht habe, wie Wulff es formulierte. In Anbetracht von Werken wie der "Deutschstunde" und des Eintretens für Versöhnung "hat unser Land Siegfried Lenz sehr viel zu verdanken", sagte Wulff, der selbst nicht solch salbende Sätze zu hören bekam.

So überging Matinee-Moderator Ulrich Wickert den Bundespräsidenten bei der Begrüßung der Ehrengäste zunächst - mit der aufs zweite Hören spöttischen Begründung, dass "heute die Dichter und Denker Vorrang" hätten. Später hielt Schriftsteller Günter Grass Wulff vor, in seiner Zeit als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident Fehler in Sachen Atommüll-Endlagerung gemacht zu haben. Doch als Grass wütete, bekamen auch andere ihr Fett weg. Von Ulrich Wickert gefragt, wo in diesen turbulenten Zeiten die Literatenstimmen seien, legte der Nobelpreisträger los: Bei der aktuellen Libyen-Krise betreibe Guido Westerwelle ein "Herumgeeiere", überhaupt habe es nie einen mieseren Außenminister als den FDP-Mann gegeben.

Siegfried Lenz blieb dabei gelassen. Ruhig saß er in seinem Rollstuhl, regte sich kaum, hörte meist nur zu. Müde sah Lenz aus mit seinem hellgrauen Haar und dem blassen Gesicht. Wach aber war sein Blick: Lenz' blaue Augen strahlten Frische aus und Forschheit - Eigenschaften, die Lenz dann auch stimmlich bewies, als er vorzulesen begann. Aus dem Manuskript, an dem er gerade arbeitet. Das bislang noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt war. "Die Maske" heißt es (siehe rechts). Schiffe kommen in diesem neuen Roman vor, Wasser und Weite spielen darin eine Rolle.

"Lenz ist Norddeutschland", sagte Schauspieler Jan Fedder, der wie sein Kollege Axel Milberg - beide zu sehen in der Lenz-Verfilmung "Das Feuerschiff" - an der Matinee teilnahm. Weitere Gäste waren NDR-Intendant Lutz Marmor, Hoffmann-und-Campe-Verlagschef Thomas Ganske, Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der Erste Bürgermeister Olaf Scholz, die designierte Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt sowie die Schriftstellerinnen Brigitte Kronauer und Ulla Hahn. Auch "Tagesthemen"-Moderator Tom Buhrow war da. Er sagte dem Abendblatt: "Lenz beeindruckt. Mich dadurch, dass er Aufhebens nur ums Schreiben macht, nicht um sich selbst. Er ist der Meister des beredten Schweigens, das gefällt mir."

Lenz selbst gefielen besonders die in die Matinee eingestreuten Akkordeon-Stücke: Auf Lenz' Lieblingsinstrument spielte die Musikerin Natalie Böttcher - so hin- und die Gedanken mitreißend, dass sich abseits aller teils ja wilden Worte Schwermut breitmachte. Schwermütig aufs Leben zurückblicken sollte Lenz jedoch nicht. So sagte Brigitte Kronauer während ihrer Rede zum Geburtstagskind: Nun sei Frühlingsanfang, Lenz-Beginn also. Beginn. Nicht Ende.