Hamburg. Bürgermeister Peter Tschentscher hat seine Hamburger SPD bei einem Parteitag in Wilhelmsburg am Sonnabend auf den Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl am 23. Februar eingeschworen und sich für eine engagierte Rede minutenlang von seinen Genossen feiern lassen. Im Gegensatz zu anderen Parteien habe die SPD „die ganze Stadt im Blick“, wiederholte Tschentscher den Wahlkampfslogan seiner Partei.
„Die ganze Stadt im Blick heißt, dass wir alle mitnehmen, alle beteiligen und gemeinsam vorangehen“, sagte der Bürgermeister zum Auftakt der Beratungen über den Entwurf des SPD-Regierungsprogramms. „Es geht nicht um Fahrrad gegen Auto, nicht um Arbeit gegen Umwelt, Industrie gegen Klima, Eigentümer gegen Mieter. Es geht um Partnerschaft und Miteinander.“
Wie die SPD aus Hamburg die "Zukunftsstadt" machen will
In ihrem Programm unter dem Titel „Zukunftsstadt Hamburg“ haben die Genossen auf fast 90 Seiten ihre zentralen Vorhaben für die kommende Wahlperiode von 2020 bis 2025 aufgeführt. So verspricht die SPD den Hamburgern, HVV-Schülertickets bis 2025 schrittweise kostenlos zu machen und bis 2030 einen „Hamburg-Takt“ einzuführen, nach dem jeder überall in der Stadt von früh bis spät binnen fünf Minuten ein Mobilitätsangebot erreichen kann. Für Azubis soll es ein 365-Euro-Jahrersticket geben.
Zudem will die SPD 40 neue Schulen bauen, auf deren Geländen Kitas mit 5000 Plätzen entstehen sollen. Die Zahl der geförderten Neubauwohnungen soll von 3000 auf 4000 jährlich steigen. Hamburg soll bis 2050 klimaneutral werden, die Hafenquerspange soll kommen, und die SPD möchte ein „Haus der digitalen Welt“ errichten. In diesem „bundesweit einzigartigen Ort“ soll „Digitalisierung erlebbar und erlernbar“ und die Zentralbibliothek untergebracht und zu „einer der modernsten Bibliotheken Europas“ werden.
„Wie die Elbphilharmonie die Musik, soll das Haus der digitalen Welt die Kompetenz, den digitalen Optimismus und die Teilhabe aller an den Chancen der Digitalisierung befördern“, sagte Tschentscher in seiner Rede – und bedankte sich beim SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der bereits 60 Millionen Euro des Bundes für die Anschubfinanzierung organisiert habe.
Tschentscher: Klimawandel durch Innovation begegnen
Der Bürgermeister betonte in seiner Rede erneut, dass dem Klimawandel vor allem durch Innovation begegnet werden müsse. So wolle Hamburg im Hafen die größte Anlage für Wasserstoffelektrolyse der Welt bauen. Ziel sei es, aus Windstrom Wärme, Wasserstoff und grünes Kerosin für Flugzeuge zu gewinnen. „Wir setzen Wind und Wasserstoff für die Energiewende ein. Das ist Innovation und Fortschritt in einer Zukunftsstadt Hamburg“, so Tschentscher.
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Zugleich stellte er die nach wie vor große Bedeutung des Hafens heraus – auch mit Blick auf den Klimaschutz. Es gebe keine wirtschaftlichere und umweltfreundlichere Transportart als die per Schiff, so der Bürgermeister. Dabei würden lediglich drei Gramm CO2 pro Tonne und Kilometer anfallen, weniger als bei allen anderen Transportmitteln. Bei Flugzeugen entstünden dagegen 1000 Gramm CO2 pro Tonne und Kilometer.
Hamburg reduziert CO2 – trotz Wachstums
Während bis 2011 kaum etwas in diesem Bereich passiert sei, reduziere Hamburg trotz des Wachstums der Stadt seinen CO2-Ausstoß seither jedes Jahr deutlich, so Tschentscher. Das sei eine gute Nachricht für die kommende Generation und eine positive Botschaft an die Fridays for Future-Bewegung. Am kommenden Dienstag werde der Senat voraussichtlich den neuen Klimaplan beschließen. „Bis 2030 werden wir den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 55 Prozent senken, vermutlich sogar um mehr, das ist das Versprechen das wir der jungen Generation geben“, so Tschentscher. „Dafür stehe ich. Deshalb gilt: Grüner wird’s nicht. Wer Klimaschutz in Hamburg will, der muss SPD wählen.“
Tschentscher betonte, dass die SPD auch auf Menschen mit geringem Einkommen schaue. „Da gucken andere nicht so drauf“, so der Bürgermeister. Wichtig sei gerade für Hamburger mit wenig Geld, dass sie nicht zu Monatsbeginn gleich den größten Teil des Einkommens für die auf den Tisch legen müssten. Gerade hier habe die SPD mit ihrem Wohnungsbauprogramm dafür gesorgt, dass die Mieten zuletzt nur noch um 1,3 Prozent pro gestiegen seien, der Anstieg also unter der Inflationsrate geblieben sei. „Das ist ein riesengroßer Erfolg“, sagte Tschentscher unter dem Applaus der Genossen.
"Allein auf Radwegen kommen wir nicht ins 21. Jahrhundert"
Was man in den vergangenen Jahren beim Wohnungsbau erreicht habe, wolle man in den kommenden zehn Jahren beim Thema Mobilität und Verkehr wiederholen, so der Senatschef. Dazu gehörten der massive Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der Bau der S4 und der U5, der Bau der A26 West und Ost (Hafenquerspange) und die Erneuerung der Köhlbrandquerung. „Allein auf Radwegen kommen wir nicht ins 21. Jahrhundert“, so Tschentscher.
„Wir müssen Veränderung nicht fürchten, wenn wir sie gestalten, wenn wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen“, so das Fazit des Bürgermeisters. „Deshalb sagen wir: Hamburg soll eine Zukunftsstadt sein.“ Die SPD trete „jeden Tag dafür ein, dass diese Stadt eine Stadt für alle ist, dass Hamburg eine weltoffene und vielfältige Stadt bleibt, in der viele Bürger und Bürgerinnen ihr Glück finden“, schloss Tschentscher seine Rede.
"Kein Millimeter Platz für Populismus"
„Eine Stadt, die zusammenhält, in der jeder seinen Platz findet und in der deshalb kein Millimeter Platz ist für Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Das ist die Zukunftsstadt Hamburg, die wir in unserem Regierungsprogramm beschreiben. Wirtschaftsstark, weltoffen, klimafreundlich und lebenswert für alle. Dafür lohnt es sich, als SPD Hamburg zu arbeiten und am 23. Februar die Bürgerschaftswahl zu gewinnen.“
Die Genossen quittierten die kämpferische Rede mit minutenlangen stehenden Ovationen – wie es sich im Wahlkampf gehört.
Gätgens bekommt spontanen Jubel
Zu Beginn des Parteitags hatte auch Parteichefin Melanie Leonhard in ihrer Eröffnungsrede betont, dass sich die Lage in Hamburg für alle verbessern solle. „Zu Zusammenhang gehört Zusammenhalt“, so Leonhard. Die SPD stehe dafür, die Stadtgesellschaft so zu organisieren, „dass Hamburg eine Stadt für alle ist und für alle bleibt“, so Leonhard. „Und dabei werden wir keinen Meter weichen.“
Einen riesigen Spontanapplaus inklusive Siegesgeschrei gab es in Wilhelmsburg, als Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, die den Parteitag leitete, den Eimsbüttler SPD-Bezirksamtsleiter Kay Gätgens begrüßte. Gätgens von Grünen und CDU geplante Abwahl war, wie berichtet, am Donnerstagabend in der Bezirksversammlung Eimsbüttel gescheitert – weil drei Abgeordnete der grün-schwarzen Koalition gegen die als Gätgens-Nachfolgerin kandidierende Grünen-Politikerin Katja Husen stimmten.
Am späten Vormittag begannen die Genossen in Wilhelmsburg mit der Beratung zu den Details ihres Regierungsprogramms.
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