Die Bürgerschaft soll über die Befugnis der Polizei auf der Reeperbahn abstimmen, wo seit fast sechseinhalb Jahren Waffenverbot gilt. Trotz des Verbots steigt die Zahl der Gewalttaten.

St.Pauli. Vor fast sechseinhalb Jahren hat Hamburg die Waffenverbotszone auf der Reeperbahn eingeführt. Rund 50 Schilder sind im Dezember 2007 auf St. Pauli aufgestellt und eine Viertelmillion Handzettel verteilt worden. Ab sofort war das Tragen von Schusswaffen oder Schreckschusswaffen, selbst mit Waffenschein, sowie jede Art von Messer, Knüppel oder Reizgas verboten. Seit knapp zwei Jahren dürfen Polizisten Verdächtige auch durchsuchen. Doch zu mehr Sicherheit hat das nicht geführt. Die Zahl der Gewaltdelikte ist gestiegen.

„Die Anzahl der Straftaten hat sich seit Einführung der Waffenverbotszonen als auch der Durchsuchungsbefugnis (...) noch nicht merklich verringert“, heißt es in einer Senatsantwort auf eine Anfrage von Arno Münster, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Die Anzahl der Straftaten, die mit einem „Tatmittel“, also einer Waffe, durchgeführt wurden, sei sogar leicht gestiegen, heißt es weiter. Und: „Bei den Ordnungswidrigkeiten gegen die waffenrechtlichen Bestimmungen hat es ebenfalls noch keine durchgreifenden Veränderungen gegeben.“

Auf St. Pauli nimmt die Zahl der Gewaltdelikte zu

Laut Kriminalstatistik gibt es im gesamten Stadtteil St.Pauli, der größer als die Waffenverbotszone ist, eine Zunahme der Gewaltkriminalität. Im vergangenen Jahr zählte die Polizei dort 1701 Gewaltdelikte. Das sind 83 mehr als im Jahr zuvor (plus 5,1 Prozent). Die Aufklärungsquote sank im selben Zeitraum von knapp 53 auf gut 50 Prozent. Bei der Summe aller Straftaten ist mit einem Plus von 2411 auf 20.524 Fälle ein Zuwachs von gut 13 Prozent zu verzeichnen gewesen. Insgesamt sank die Aufklärungsquote um vier Prozentpunkte auf 36,1 Prozent.

Die Polizei interpretiert die Statistik positiver. Nach ihrer Ansicht erzielt die Waffenverbotszone allein wenig Wirkung. In diesem Fall werden Verdächtige lediglich „in Augenschein“ genommen. Bei 3159 solcher Inaugenscheinnahmen haben die Beamten in den Jahren 2012 und 2013 genau 108 Waffen oder gefährliche Gegenstände sichergestellt – eine Quote von lediglich 3,4 Prozent. Waffen wurden also nur dann gefunden, wenn sie von außen sichtbar mitgeführt wurden.

Seit Mitte 2012 hat die Polizei eine sogenannte Durchsuchungsbefugnis, die es ihnen erlaubt, in Verdachtsfällen bestimmte Personen auch zu durchsuchen. Das ging bis dahin lediglich, wenn es einen konkreten Verdacht einer Straftat gab. Mit dieser Befugnis können Verdächtige aufgrund von „Lageerkenntnissen“ durchgeführt werden. Das bedeutet: Ist die Person bereits durch den Besitz von Waffen aufgefallen, als gewaltbereit bekannt oder gehört gewaltbereiten Gruppen wie Rockern oder Zuhältern an, kann durchsucht werden. Auch aggressives Verhalten bei der Identitätskontrolle kann zum Anlass genommen werden.

Bis Ende 2013 haben die Beamten auf diese Weise 1756 Personen durchsucht und 398 Waffen sichergestellt – immerhin eine Quote von knapp 23 Prozent. „Die bloße Ausweisung des Waffenverbotsgebiets führt allein nicht dazu, dass Personen auf das Mitführen von Waffen und gefährlichen Gegenständen verzichten. Dies ist offenkundig nur im Zusammenhang mit der Durchsuchungsbefugnis zweckmäßig durchzusetzen“, sagt Polizeisprecher Andreas Schöpflin.

Die FDP lehnt eine Verlängerung der Durchsuchungsbefugnis ab

Aus diesem Grund will die SPD der Polizei die Durchsuchungsbefugnis für weitere zwei Jahre als Mittel zur Verfügung stellen. Da es sich bei der Befugnis um einen Eingriff in die Freiheitsrechte handelt, soll sie zunächst nur zeitlich begrenzt genutzt werden. Die SPD-Fraktion bringt nun einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft ein. „Aus heutiger Sicht ist eine Verlängerung der Durchsuchungsbefugnis weiter erforderlich. Wir schlagen aber vor, diese Regelung nicht vollständig zu entfristen, sondern zunächst für weitere zwei Jahre fortzusetzen“, sagt Arno Münster. „Dieser längere Zeitraum ermöglicht dann auch umfassendere Bewertungen in puncto Wirksamkeit.“ Noch könne nicht abschließend beurteilt werden, ob dieses Mittel auch zu dem gewünschten Ergebnis führe – also zu einem Rückgang der Zahl gefährlicher Waffen. Für Münster steht aber fest: „Gerade in Waffenverbotszonen haben Waffen nichts zu suchen – das sollte die Polizei auch effektiv kontrollieren können.“

Eine Fortführung der Durchsuchungsbefugnis lehnt die FDP-Fraktion dagegen ab. Deren innenpolitischer Sprecher Carl Jarchow sagt: „Der Senat bestätigt selbst, dass weder die Waffenverbotszonen noch die Durchsuchungsbefugnis in den letzten drei Jahren zu einer merklichen Abnahme der Straftaten geführt haben. Das Instrument ist also schon deshalb untauglich.“ Aus Sicht der FDP sei dies überdies ein unverantwortlicher Eingriff in die Grundrechte der Bürger. „Deshalb lehnen wir eine Verlängerung der Durchsuchungsbefugnis genauso ab, wie wir schon ihrer Einführung widersprochen haben.“

Die Polizei befürwortet die Verlängerung der Durchsuchungsbefugnis. „Ohne sie hätte eine hohe Anzahl an Waffen und gefährlichen Gegenständen nicht gefunden und sichergestellt werden können und hätte folglich für die Begehung von Straftaten eingesetzt werden können“, sagt Polizeisprecher Schöpflin. Dass die Zahl der gefundenen Waffen nicht sinke, habe zudem einen einfachen Grund: „Je mehr Kontrollen, desto höher die Fallzahlen.“