Kaum zu glauben, aber wahr: Erst jetzt, nach fast zehn Jahren, hat der Senat erstmals eine “Vollkostenrechnung“ vorgelegt, also eine Übersicht, was das ganze Projekt die Stadt insgesamt kostet.

Hamburg. Im Dezember 2003 hatte der damalige CDU-geführte Senat eine Grundsatzentscheidung für den Bau der Elbphilharmonie getroffen, seit 2007 wird an dem Konzerthaus gebaut. Kaum zu glauben, aber wahr: Erst jetzt, nach fast zehn Jahren, hat der aktuelle SPD-Senat erstmals eine "Vollkostenrechnung" vorgelegt, also eine Übersicht, was das ganze Projekt die Stadt insgesamt kostet: 789 Millionen Euro - das geht aus der Drucksache hervor, die der Senat am Dienstag beschlossen hat und mit der er die Bürgerschaft über die Neuordnung des Projektes informiert.

Zum Vergleich: Die Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2005 war davon ausgegangen, dass die Elbphilharmonie insgesamt 186 Millionen Euro kosten würde und die Stadt davon 77 Millionen Euro zu tragen hat. Tatsächlich muss sie nun mindestens das Zehnfache ausgeben - allerdings auch für ein Konzerthaus, das wesentlich aufwendiger wird als 2005 noch angenommen.

Auf die Frage, ob die Kosten nun ein für alle mal begrenzt seien, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): "Ich glaube, dass wir das sichergestellt haben." Kern der Neuordnung sei schließlich, dass die Stadt sich aus dem Projekt zurückzieht, Hochtief sämtliche Garantien und Risiken übernimmt und in dem Vertrag schriftlich versichert, keine weiteren Ansprüche zu stellen - weder für bisher Gebautes noch für künftige Leistungen. "Das war der Sinn der ganzen Veranstaltung", sagte Scholz über die zwei Jahre andauernden Verhandlungen mit dem Baukonzern.

Genau genommen kostet die Elbphilharmonie sogar 865,6 Millionen Euro. Dem stehen jedoch Einnahmen von 76,6 Millionen Euro gegenüber - aus Spenden (57,5 Millionen), aus dem Verkauf der Planungen für den kommerziellen Bereich (11,5 Millionen) und aus dem Verkauf der Flächen für die 45 Wohnungen in dem Gebäude an die Firma Skyliving (7,6 Millionen) - eine gemeinsame Tochter von Hochtief- und der Quantum AG. Da sich die Einnahmen jedoch nicht exakt einem Ausgabeposten zuordnen lassen, muss bei der Frage, was eigentlich wie viel kostet und wer was bekommt, von den 865 Millionen ausgegangen werden. So schlüsselt sich diese Summe auf:

Hochtief: 566 Millionen

Offiziell gibt der Senat den Auftragswert mit 575 Millionen Euro an. Davon muss man jedoch 35 Millionen Euro abziehen, die der Baukonzern weitergibt an die Architekten Herzog & de Meuron, mit denen er künftig eine Planungsgesellschaft bildet. Hinzu kommen wiederum 26 Millionen für die Adamanta - eine von Hochtief und der Commerzbank gegründete Zweckgesellschaft und eigentlicher Vertragspartner der Stadt. Die 26 Millionen beziffern ihre eigenen Managementausgaben und Finanzierungs-Kosten.

Herzog & de Meuron: 102 Millionen

Die Kosten für den "Generalplaner", bei Vertragsabschluss 2006 noch mit 29 Millionen Euro angegeben, waren bis Ende 2008 auf mehr als 49 Millionen Euro gestiegen. Vor der jetzigen Neuordnung wurden sie mit knapp 67 Millionen Euro angegeben, zu denen die erwähnten 35 Millionen hinzukommen. Allein sieben Millionen davon sind für die "Künstlerische Oberleitung" - wenn die Schweizer Architekten dem fertigen Bau 2016 nicht ihr "HdM-Label" geben, hat Hochtief ein Problem, dann gilt die Elbphilharmonie als nicht korrekt abgeliefert und die Stadt kann Schadenersatz fordern.

ReGe: 67 Millionen

Die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe hatte 2004 aufgrund der positiven Erfahrungen bei der Airbus-Erweiterung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den Auftrag bekommen, das Projekt Elbphilharmonie zu koordinieren. Bei Baubeginn gab es die Erwartung, dass ihr dafür Kosten von 18 Millionen Euro entstehen. Bezeichnend: Bevor 2008 mit dem "Nachtrag 4" die Kosten für das Projekt explodierten, musste Projektkoordinator Hartmut Wegener gehen. Bis zur aktuellen Neuordnung, die offiziell "Nachtrag 5" heißt, kletterten die ReGe-Kosten auf 54 Millionen. Weil sich Wegeners Nachfolger Heribert Leutner gegen den Weiterbau mit Hochtief aussprach, trennte sich die Stadt auch von ihm und ersetzte ihn durch Martin Heyne. In der Neuordnung werden die ReGe-Kosten nun mit 67 Millionen Euro angegeben.

Steuern: 51 Millionen

Die Berechnung von Umsatz- und Grunderwerbsteuer für das Projekt ist äußerst kompliziert und noch nie detailliert dargestellt worden. Denn mit der ReGe und der ihr übergeordneten Elbphilharmonie Hamburg Bau KG sowie der HamburgMusik GmbH als künftiger Nutzerin gibt es unterschiedliche Auftraggeber. Außerdem sind Teile des Projekts gemeinnützig, andere kommerziell. Auch die neue Drucksache des Senats beschränkt sich daher auf die Nennung der Summe. Zum Vergleich: Vor Baubeginn war mit 14 Millionen Euro Steuern kalkuliert worden.

Finanzierung: 48 Millionen

Der komplizierteste Part: Ursprünglich sollte der "kommerzielle Mantel" aus Hotel, Parkhaus und Gastronomie privat finanziert werden. Um die Kosten zu senken, wurde 2006 jedoch ein "Forfaitierungsmodell" beschlossen: Hochtief hat die Forderung über rund 130 Millionen Euro an die Stadt, die dem Konzern für den Bau der kommerziellen Bereiche zustanden, an die Bayerische Landesbank verkauft. Schuldner war damit nicht mehr Hochtief, sondern die Stadt - und so stellte die Bank das Geld zu günstigeren, öffentlichen Konditionen zur Verfügung. Die Zinsen für den Kredit wollte die Stadt aus den Pachteinahmen für das Hotel bestreiten. Da sich dessen Eröffnung jedoch immer weiter verzögert, der Kredit aber bereits bedient werden muss, muss die Stadt die Zinsen derzeit aus dem Haushalt vorstrecken. 2008 wurde dieser Posten erstmals mit knapp 13 Millionen Euro beziffert. Bis zur Neuordnung war er auf 21,5 Millionen gestiegen, und bis zur Hotel-Eröffnung 2016 oder 2017 wird er auf 48,5 Millionen Euro ansteigen. Allerdings wird sich dieser Effekt ab 2030 umdrehen, weil der Kredit dann abbezahlt ist, aber noch Pachteinnahmen fließen.

Sonstiges und Rücklage: 31 Millionen

Unter die 25 Millionen für "Sonstiges" fallen zum Beispiel die Kosten der Hamburg Musik GmbH. Sie steigen mit der Neuordnung um 6,6 Millionen Euro. Allein 3,5 Millionen sollen in den kommenden Jahren in die Vermarktung des Projekts und in die Vorbereitung der Eröffnungssaison fließen. Immerhin sechs Millionen Euro sind noch als "Rücklage" ausgewiesen.

Das fehlt noch: 27 Millionen

Selbst die 865 Millionen Euro sind noch nicht die ganze Wahrheit. Denn hinzu kommen noch Ausgaben für die Anbindung des Konzerthauses, etwa für den Fußweg vom Baumwall zur Elbphilharmonie oder für die neue Klappbrücke - insgesamt werden für diese "westliche Anbindung der HafenCity" 27,6 Millionen Euro kalkuliert. Allerdings wird auch eine geplante Einnahme nicht erwähnt: Denn das 250-Zimmer-Hotel soll nach 20 Jahren verkauft werden - ob die 210 Millionen Euro Herstellungskosten dann wieder hereinkommen, ist aber fraglich.

Die Bürgerschaft soll dieser Neuordnung bis zum 30. Juni zustimmen - andernfalls wären die Verträge hinfällig. Die Opposition übte scharfe Kritik. Scholz wolle die parlamentarische Kontrolle durch Zeitdruck "aushebeln", sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Scholz sagte, er habe Verständnis für den Unmut. "Ich hoffe aber, dass die Bürgerschaft die Zwänge versteht." Der Streit wird heute fortgesetzt - ab 15 Uhr in der Bürgerschaft.