Noch besteht Grund zum Jubeln über die positive Steuerschätzung. Allerdings: Die Aussichten für die Folgejahre verschlechtern sich.

Hamburg. Auf den ersten Blick ist die Lage extrem gut, auf den zweiten ziemlich trübe. Hamburg wird in diesem Jahr erstmals die Marke von neun Milliarden Euro Steuereinnahmen knacken. Ausweislich der November-Steuerschätzung, die Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) gestern präsentierte, sollen es exakt 9,046 Milliarden Euro sein und damit noch einmal 34 Millionen Euro mehr als im Mai vorhergesagt - und das war schon eine sehr optimistische Prognose. Gegenüber der Haushaltsplanung des Senats, die auf der Steuerschätzung aus 2011 basiert, würden die Mehreinnahmen sogar 271 Millionen Euro betragen.

Allerdings werden für 2013 bis 2016 nun deutlich geringere Einnahmen erwartet als noch im Mai. Hatten die Steuerschätzer seinerzeit ihre Prognose für diese Jahre um insgesamt fast 800 Millionen Euro nach oben korrigiert, haben sie diese Erwartung nun nahezu komplett wieder kassiert. Zum Vergleich: Der Jahresetat der Stadt liegt bei rund 11,6 Milliarden Euro.

"Die Ergebnisse der Steuerschätzung zeigen erneut, wie stark unsere Einnahmen von der konjunkturellen Entwicklung abhängen", sagte Tschentscher. Der Senat fühle sich daher in seiner Haltung bestärkt, die Haushaltsplanung nicht von Einnahmeprognosen abhängig zu machen. Um die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse spätestens 2020 erreichen zu können, orientiert sich der Finanzsenator einzig an den tatsächlichen Einnahmen der vergangenen 20 Jahre. Diese wurden bis 2020 fortgeschrieben und enden dann bei 12,5 Milliarden Euro. Von diesem Punkt zurückgerechnet, dürfen die Ausgaben um maximal 0,88 Prozent pro Jahr wachsen, damit die Stadt 2019 ohne Neuverschuldung auskommt.

Sollte die aktuelle Steuerprognose Realität werden, wäre dieser Punkt theoretisch schon 2016/2017 erreichbar, räumte Tschentscher ein. Dem liege aber eine sehr optimistische Konjunkturprognose der Bundesregierung zugrunde: "Dass das so eintritt, ist eher unwahrscheinlich." Er wolle "kaufmännische Vorsicht" walten lassen.

So habe sich sein "Vorsichtsabschlag" schon bewährt. Tschentscher hatte nicht wie üblich die Mai-Steuerschätzung als Grundlage für seine Haushaltsplanung genommen, sondern davon Einnahmen von 950 Millionen Euro, die für die Jahre 2014 bis 2016 vorhergesagt worden waren, abgezogen. Das zahlt sich nun aus: Die nach unten korrigierte Prognose reißt kein Loch in die Finanzplanung. Hoffnungen auf zusätzliche Mittel brauche sich aber keine Fachbehörde zu machen, betonte der Finanzsenator.

Denn die Stadt hatte für dieses Jahr mit einem Defizit von einer Milliarde Euro gerechnet. Höhere Einnahmen würden daher ausschließlich zur Senkung der Nettokreditaufnahme (eingeplant sind 600 Millionen Euro) und zur Schonung der Rücklagen verwendet. Außerdem "schwimme" die Stadt noch in Schulden - rund 24 Milliarden Euro.

Verärgert zeigte sich Tschentscher über den Rückgang der Erbschaftssteuer um fast 40 Prozent. Offensichtlich hänge das mit den Cash GmbHs zusammen. Solche Firmen, deren Wert überwiegend aus "Cash" besteht, ermöglichen es, auch große Vermögen nahezu steuerfrei zu vererben. Diesen "Gestaltungsspielraum" würde er gern schließen, so Tschentscher. Entsprechende Initiativen auf Bundesebene liefen.

CDU und FDP forderten den Senat auf, die Schuldenbremse früher anzustreben. "Die Einnahmen Hamburgs haben sich 2012 noch einmal verbessert und bleiben danach auf hohem Niveau", sagte CDU-Finanzexperte Roland Heintze. "Diese Lage muss der Senat nutzen, um möglichst schnell keine neuen Schulden zu machen. Damit könnte er sofort anfangen." Robert Bläsing (FDP): "Warum der Finanzsenator keinen Haushaltsausgleich für 2012 anstrebt, ist unverständlich." SPD-Haushaltsexperte Jan Quast warnt vor Spekulationen: "Seriös ist das nicht und erinnert an die CDU-Haushaltspolitik nach dem Prinzip Hoffnung. So werden falsche Erwartungen über Spielräume geschürt, die es so nicht gibt."

Anja Hajduk (Grüne) verwies hingegen darauf, dass höhere Steuereinnahmen sowie die niedrigen Zinsen für die Altkredite eben jenen "Spielraum" verschaffen. Sie forderte daher für 2012 "eine deutlich geringere Neuverschuldung". Norbert Hackbusch (Linkspartei) sagte, angesichts der hohen Einnahmen gebe es "keinen Grund", im Sozialbereich zu kürzen.