Die Stadt muss die Schifffahrtsbranche weiter stärken. Sie braucht aber auch einen breiteren Branchenmix für die Zukunft

Mit Klumpenrisiko bezeichnet man im Bankwesen die Häufung von Ausfallrisiken, wenn diese in gleichen Branchen oder Regionen liegen. Was das genau bedeutet, hat diese Woche die HSH Nordbank unfreiwillig erklärt. Nachdem die EU die Bank zu einer Schrumpfkur verdonnert hatte und ihr wenig mehr als die Schiffsfinanzierung ließ, hat die Bank mal wieder ein massives Problem - sie hat ihr Risiko kaum streuen können, die Schifffahrtskrise trifft sie brutal. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Steuerzahler eines Tages für diese Risiken haften müssen. Wie die HSH ein Klumpenrisiko mit der Schiffsfinanzierung hat, hat Hamburg ein Klumpenrisiko mit der maritimen Branche. Konjunkturabkühlung, Überkapazitäten, Frachtratenverfall und Kostensteigerungen plagen Reeder, Finanzierer und Banken gleichermaßen.

Die Verzögerung der Elbvertiefung wirkt nun wie ein Knieschuss für eine taumelnde Branche, an der in Hamburg immerhin angeblich 150 000 Jobs hängen. Eine spätere Fahrrinnenanpassung droht nicht nur die Position Hamburgs im Wettbewerb mit Rotterdam, Antwerpen und Wilhelmshaven zu schwächen, sondern belastet mittelfristig die Finanzkraft der Stadt. Es steht zu befürchten, dass die stadteigene Hamburg Port Authority (HPA) in den kommenden Jahren bei den Einnahmen für das Hafengeld - 2011 immerhin 48 Millionen Euro - Abstriche machen muss.

Auch die städtische Beteiligung an der HHLA hat seit dem Leipziger Urteil rund 100 Millionen Euro an Wert verloren. Dabei waren die Aktien schon zuvor von ihrem Höchstkurs 2007 um rund 70 Prozent gefallen. Das mögen Buchverluste sein - doch wenn die Dividende sinkt, wird es Hamburg direkt treffen.

Und es gibt noch weitere Finanzrisiken, die Finanzsenator Peter Tschentscher derzeit den Schlaf rauben dürften. Schwierig ist die Lage auch bei Hapag-Lloyd. Die Reederei, seit Kurzem zu 36,9 Prozent im Besitz der Stadt, schließt ein negatives Ergebnis nicht mehr aus. Der kreditfinanzierte Einstieg wird umso gefährlicher und teurer, je länger die Krise anhält und Hamburg Haupteigner bleiben muss. Derzeit ist ein Hapag-Lloyd-Börsengang zu vernünftigen Preisen so realistisch wie die Hafenmedaille für Umweltverbände.

Wohin man in Hafen und der Schifffahrt schaut, kaum ein Tag vergeht ohne Schreckensnachricht. Ein Trost bleibt, dass die Branche oft Schweinezyklen durchlebt: Glänzenden Jahren folgen tiefe Täler und anschließend rasante Erholungen.

Darauf allein sollte man aber nicht mehr setzen. Gerade für den Hafen klingen die noch immer gültigen optimistischen Planzahlen eher nach Fantasialand. Eigentlich soll sich der Umschlag bis 2025 mehr als verdoppeln. Dieses Szenario für den besten aller Fälle klang schon 2008 vor der Krise ambitioniert, heute ist er völlig utopisch - nicht nur angesichts der Verzögerung bei der Elbvertiefung, sondern auch weil Mängel in der Hinterlandanbindung zur Wachstumsbremse werden.

Die Bauarbeiten am Elbtunnel haben bereits zu einer Verlagerung von Umschlag nach Fredericia in Dänemark geführt. Wenn der Deckel über die A 7 gebaut und der Verkehr gestaut wird, dürften die Dänen sich über weitere Profite freuen. Und damit nicht genug: Ottmar Gast, Chef der Reederei Hamburg Süd, erwartet, dass ein Treibstoff der Globalisierung knapp wird. Die internationale Arbeitsteilung wächst kaum noch, weil zum einen die Arbeitskosten in den Billiglohnländern rasant steigen und zum anderen Transporte tendenziell teurer werden.

Die Irrsinnsbeispiele der Globalisierung, Krabben zum Pulen nach Marokko zu schicken oder Solarzellen aus China zu importieren, könnten dann Geschichte sein. Das gilt aber auch für Waren aus Deutschland; für die Exportnation ist das keine gute Nachricht. Aber eine, die es zu bedenken gilt.

Das alles darf den Einsatz für Elbvertiefung und Infrastrukturausbau nicht bremsen - ganz im Gegenteil. Aber im Hafen und in der Stadt sollte man beginnen, darüber hinaus zu denken. Der Plan, hereinkommende Rohstoffe zu veredeln und Fertigprodukte anschließend zu exportieren, geht in die richtige Richtung. Auch das Ziel, Zentrum für erneuerbare Energien zu werden, klingt vernünftig.

Doch insgesamt muss sich Hamburg für die Zukunft einen breiteren Branchenmix basteln. Es bedarf eines Plans B - beispielsweise in der Finanzierung von Spitzenforschung mit dem Ziel von Ausgründungen von Unternehmen. Heute benötigt die Schifffahrt jede Unterstützung. Eines Tages sollte sie dann zur Finanzierung dieser Zukunft herangezogen werden können.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt