In der aktuellen Stunde stritt die Bürgerschaft über Verteilung des Reichtums. SPD, Grüne und Linkspartei vereint. FDP spricht von “Neiddebatte“.

Hamburg. Es war eine 90-minütige Debatte voller Emotionen. Abgeordnete mussten in ihrem Redefluss gebremst werden, es gab donnernden Applaus für eine Oppositionsabgeordnete - die Bürgerschaft hat sich gestern ungewöhnlich intensiv mit Berichten über die zunehmende Armut beschäftigt. "Arme und Reiche entfernen sich immer weiter voneinander", sagte Katharina Fegebank (Grüne), deren Fraktion das Thema anlässlich des Armutsberichts der Bundesregierung für die Aktuelle Stunde angemeldet hatte.

In Hamburg seien 18 Prozent der Menschen (fast jeder Fünfte) von Armut bedroht, jedes vierte Kind lebe bereits in Armut, 12 000 Menschen holten sich Gratis-Essen von der Hamburger Tafel, zählte Fegebank auf. Andererseits besäßen die 20 reichsten Hamburger zusammen 40 Milliarden Euro. "Armut ist mehr, als kein Geld zu haben. Armut bedeutet auch weniger Teilhabe", betonte die Landesvorsitzende der Grünen. Eine "Generation abgehängt" könne sich die Stadt aber nicht erlauben.

In fast allen Redebeiträgen wurde auf das große Abendblatt-Dossier angespielt, in dem enthüllt wurde, wie auch Tausende direkt oder indirekt bei der Stadt Beschäftigte untertariflich oder ungerecht entlohnt werden. "Das Abendblatt hat diverse Beispiele genannt, an denen der Arbeitsmarkt durcheinandergeraten ist", sagte Wolfgang Rose (SPD) und zählte die Themen Armut trotz Arbeit, befristete Verträge und fehlende Mitbestimmung auf. Rose: "Wir gehen das Schritt für Schritt an und werden den Arbeitsmarkt wieder in Ordnung bringen."

Dabei setze die SPD in Hamburg unter anderem auf den geplanten städtischen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde sowie die Wiedereinführung des Korruptionsregisters, das Wirtschaftskriminalität und Missbrauch auf dem Arbeitsmarkt zu bekämpfen helfe. Im Bund setze sich der SPD-Senat für die Vermögenssteuer, eine Finanztransaktionssteuer sowie die Anhebung des Spitzensteuersatzes an. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hob hervor, dass langfristig nur Investitionen in Bildung helfen würden. Daher investiere der Senat so massiv in Krippen- und Kita-Ausbau und kleinere Schulklassen.

Norbert Hackbusch (Linkspartei) sprach von einem "gesellschaftlichen Skandal", dass sich der wachsende private Reichtum auf immer weniger Menschen verteile. "50 Prozent der Menschen rackern sich täglich ab, sie leisten etwas, aber sie bekommen immer weniger." Hackbusch rief daher dazu auf, am Sonnabend von 12 Uhr an auf dem Rathausmarkt die Protestveranstaltung "Umfairteilen" zu unterstützen.

CDU und FDP hatten in der Debatte einen schweren Stand, was vor allem daran lag, dass sie auf die prekären Verhältnisse ganzer Bevölkerungsschichten kaum eingingen. So verwies Katharina Wolff (CDU) darauf, dass der Armutsbericht gleich zu Beginn doch eine "positive Entwicklung der Lebenslagen" bescheinige. Im Widerspruch dazu warf sie dem Senat aber auch vor, dass in Hamburg 35 000 Menschen trotz Arbeit zum Sozialamt gehen müssten. Wolffs Credo: "Geht es unseren Unternehmern schlecht, geht es auch den Arbeitnehmern schlecht."

Auch Robert Bläsing (FDP) betonte, dass eine Vermögenssteuer die Unternehmer nur schwächen würde. Während Reiche sich ein anderes Land mit niedrigeren Steuersätzen suchen könnten, seien Arme und kleine Unternehmer die Leidtragenden. Bläsings Vorwurf: "Die politische Linke aus SPD, Grünen und Linkspartei sind in dieser Neiddebatte mal wieder vereint."

Das rief die Finanzexpertin der Grünen, Anja Hajduk, auf den Plan. Es sei doch nicht zu leugnen, dass einerseits die öffentlichen Schulden und andererseits der private Reichtum massiv anwachsen. Die Politik müsse Antworten geben, wie man damit umgehen wolle, CDU und FDP sollten sich daher von ihren "altbackenen Sprüchen" trennen. Schließlich gab Hajduk ihre sonst so betonte Sachlichkeit gänzlich auf. "Tun Sie nicht so, als wenn es Ihnen um die Fleißigen ginge", rief sie bebend in Richtung CDU und FDP, "Ihnen geht es nur um die Menschen, die gar nichts mehr tun müssen, weil das Geld von allein wächst!" Ihre letzten Worte gingen im donnernden Applaus von SPD, Grünen und Linkspartei unter. So vereint, da hatte die FDP nicht ganz unrecht, sieht man die "politische Linke" selten.