Das Abendblatt hatte die Schicksale vieler Menschen, die arbeiten und trotzdem auf Hartz IV angewiesen sind, öffentlich gemacht.

Hamburg. Die Hausarbeiterin, die in den Hamburger Kindertagesstätten kocht und putzt - und die trotzdem auf Hartz IV angewiesen ist. Der Wachmann, der Behörden und die Uni bewacht - und ebenfalls aufstocken muss. Die Leiharbeiter, die für die Stadt im Callcenter oder als Putzkräfte arbeiten - für einen Niedriglohn. Das Abendblatt hat die Schicksale dieser Menschen in einem vierseitigen Dossier am Wochenende öffentlich gemacht.

Das Thema "Die Stadt als Arbeitgeber" beschäftigt jetzt auch die Hamburger Politik. Der Senat plant ein Mindestlohngesetz, das Behörden, Ämtern, städtischen Betrieben und Auftragnehmern der Stadt einen Stundenlohn von 8,50 Euro vorschreibt. Die Meinungen über die Lösung des Problems gehen auseinander. Ein Überblick.

Katja Suding, FDP: Wenn die SPD es zulässt, dass in städtischen Betrieben Dumpinglöhne gezahlt werden, ist das ein Armutszeugnis. Es zählt die Ehrlichkeit in der Tarifautonomie: Wenn ein Unternehmer Dumpinglöhne zahlt, um das letzte bisschen Profit herauszuholen, ist das nicht in Ordnung. Wenn er jedoch kurzfristig die Löhne senkt, um eine Insolvenz zu verhindern, ist das meiner Meinung nach hinnehmbar. Wir brauchen jedoch keinen Mindestlohn. Es gibt bestimmte Tätigkeiten, die so wenig produktiv sind, dass sie einen Lohn von 8,50 Euro nicht hergeben. Der Niedriglohnsektor eignet sich als Einstieg oder Wiedereinstieg. Ein flächendeckender Mindestlohn würde bedeuten, dass Arbeitsplätze ins Ausland ausgelagert werden.

Dora Heyenn, Linkspartei: "Dass es städtische Unternehmen gibt, die eigene Leiharbeitsfirmen haben, empört mich sehr. Die SPD sollte diese Firmen schleunigst abschaffen. Leiharbeit generell sollte abgeschafft werden. Wenn die Stadt Hamburg ihre Beschäftigten so schlecht bezahlt, dass sie auf Hartz IV angewiesen sind, dann wird dieses Geld vom Bund gezahlt. Letztendlich verschiebt die Stadt die auskömmliche Finanzierung von Jobs somit. Das ist dreist. Der Niedriglohnsektor wird immer größer. Wir bekommen das Problem nur in den Griff, wenn wir bundesweit einen flächendeckenden Mindestlohn einführen. 8,50 Euro reichen nicht - die Linke fordert einen Mindestlohn von zehn Euro.

Jens Kerstan, Grüne: Der Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ist eine gute Sache. Aber: Warum dauert es so lange, bis der SPD-Senat ihn einführt? Und wo bleibt eine Leiharbeits-Richtlinie, die nicht nur Ämter und Behörden, sondern auch die städtischen Unternehmen und ihre Töchter einschließt? Die Stadt muss sich genau ansehen, an welche Unternehmen sie Aufträge vergibt. Es gibt zahlreiche Uralt-Verträge, die seit vielen Jahren laufen. Zum Beispiel in der Gebäudereiniger-Branche gibt es Firmen, die für ihre schlechten Arbeitsbedingungen bekannt sind.

Andreas Dressel, SPD: Hamburg muss beim Thema ,gute Arbeit' eine Vorbildfunktion einnehmen. Schritt für Schritt werden Senat und Bürgerschaft diesem Anspruch gerecht werden. Wir setzen uns auf Bundesebene für einen gesetzlichen Mindestlohn und gegen den Missbrauch von Leiharbeit ein. Die Einführung einer verbindlichen Lohnuntergrenze ist absolut überfällig. Die SPD-Fraktion hat diese Maßnahmen angestoßen; das von uns geforderte Landesmindestlohngesetz wird ein wichtiger Baustein sein. Solche Gesetze können nicht auf Knopfdruck erlassen werden.

Roland Heintze, CDU: "Die Stadt hat als Arbeitgeber eine Vorbild-Funktion. Vorbildlich muss auch der sparsame Umgang mit Steuergeldern sein. Ich denke allerdings auch, dass die Stadt unternehmerische Aufgaben nur dann wahrnehmen sollte, wenn es der Daseinsvorsorge gilt oder die Aufgabe privatwirtschaftlich nicht wahrgenommen wird. Das betrifft vor allem die Töchterfirmen, die man meiner Meinung nach nicht alle braucht. Branchenspezifische Mindestlöhne sind eine Möglichkeit. Grundsätzlich müssen meines Erachtens die Tarifparteien ihre Lohngestaltung so anlegen, dass die Beschäftigten einer Branche von einem Vollzeitjob ohne Aufstockung leben können.