Mehmet Ibrahim ist Taxifahrer, sein Gehalt reicht nicht zum Leben. Um Geld zu bekommen, muss er jeden Monat ins Jobcenter

Altona-Altstadt. Erst hat er seine jüngste Tochter noch schnell zur Vorschule gebracht, jetzt steht er vor dem Jobcenter in Altona. Es ist kurz nach 8 Uhr, aber vor den Schaltern im Eingangsbereich hat sich schon eine Schlange gebildet. An der Anzeigentafel blinkt die 016. "Ich muss jeden Monat kommen, um meine Verdienstbescheinigung vorzulegen", sagt der Mann. Mehmet Ibrahim ist nicht sein richtiger Name. Den möchte er nicht in der Zeitung stehen sehen. Wer zum Jobcenter geht, dem haftet ein Makel an, der Makel des Nichtstuns, des Versagens.

Dabei ist Mehmet Ibrahim gar nicht arbeitslos. Er arbeitet als Taxifahrer. Jede Woche sitzt er 40 Stunden hinter dem Steuer, trotzdem reicht sein Verdienst nicht. Um seine Familie durchzubringen, ist der 55-Jährige zusätzlich auf Hartz IV angewiesen. Mehmet Ibrahim ist einer von 35 500 Aufstockern in Hamburg.

Die Zahl ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen ist fast jeder dritte Hartz-IV-Empfänger in der Hansestadt Aufstocker - darunter auch viele, die direkt oder indirekt für die Stadt arbeiten (das Abendblatt berichtete). Auch Ibrahim war nicht immer auf ergänzende "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" angewiesen. Aber inzwischen verdient er mit dem Taxifahren gerade mal 1300 Euro netto im Monat.

Im August sei es besonders schlecht gelaufen. "Da hatte ich nur 1100 Euro", sagt er. Deshalb sitzt er an diesem Morgen vor seinem Sachbearbeiter in der Leistungsabteilung.

Um den Bedarf einer Familie zu berechnen, werden die sogenannten Regelsätze für das Arbeitslosengeld II zugrunde gelegt, erklärt Jobcenter-Mitarbeiter Jörg Hennig. Bei Alleinstehenden sind das 374 Euro. Für Eheleute wie die Ibrahims liegt der Satz bei 337 Euro pro Person, für die vier Töchter staffelt sich der Betrag zwischen 219 und 287 Euro - macht insgesamt 1718 Euro. Die Familie zahlt 831 Euro für ihre 94-Quadratmeter-Wohnung. Außerdem bekommen sie 52 Euro Ernährungszuschlag für ihre behinderte Tochter.

Daraus ergibt sich ein Familienbedarf von 2600 Euro im Monat. Dagegen wird das Einkommen gerechnet, plus Kindergeld in Höhe von 773 Euro. "Aus der Differenz von Bedarf und Einkommen ergibt sich die Höhe der aufstockenden Leistungen", sagt Hennig. Für die Familie Ibrahim bedeutete das: Für September gab es 1100 Euro vom Jobcenter. Das hört sich gar nicht so schlecht an. Wenn man aber 150 Euro für Strom und Telefon abzieht, haben die Ibrahims pro Person 260 Euro im Monat: für Essen, Kleidung, Schulsachen. "Ich will so gern von Hartz IV loskommen", sagt Mehmet Ibrahim. Er hat auch schon überlegt, am Sonntag noch Pizza auszufahren. Aber auch das würde nicht reichen.