Der ehemalige Oberbaudirektor greift “unwissenschaftliche und unsystematische Arbeit“ von Herlind Gundelachs Behörde an.

Hamburg. Jetzt kommt es knüppeldick für Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU): Der frühere Oberbaudirektor Prof. Egbert Kossak (von 1981-1999) zerpflückt in einem neunseitigen Gutachten die Studie, die Gundelach zum möglichen Umzug der Universität in Auftrag gegeben hatte. Kossak attackiert das Werk als "unwissenschaftlich und unsystematisch" und wirft den Autoren "Manipulation" vor.

Gundelach hatte Ende März vier Szenarien zur "baulichen Entwicklung der Universität Hamburg" vorgestellt. Zwei Varianten nehmen den Verbleib der Uni am Standort Rotherbaum zur Grundlage, die beiden anderen behandeln eine Teil- oder Komplettverlagerung der fünftgrößten deutschen Hochschule auf den Kleinen Grasbrook.

Gundelach hatte bei der Präsentation der Studie eine ergebnisoffene Diskussion zugesagt, aber von Beginn an den Eindruck erweckt, sie favorisiere die komplette Verlagerung der Uni in das Hafengebiet. Die damalige Uni-Präsidentin Prof. Monika Auweter-Kurtz sprach sich offen für den Umzug aus. "Die Studie ist als reines Rechtfertigungspapier aufgebaut, ausgerichtet auf das offensichtlich vorgegebene Ergebnis", schreibt Kossak in seinen Anmerkungen, die dem Abendblatt vorliegen. "Text und vor allem das Zahlenwerk" seien so strukturiert, dass die "nicht gewollten Szenarien abgewertet und teuer gerechnet" und das gewollte Szenario "schöngeredet und -gerechnet" würde. In der Gundelach-Studie wird behauptet, Sanierung und Modernisierung der Uni in Rotherbaum für 1,3 Milliarden Euro würde die Position der Uni nur "geringfügig" verbessern. Die komplette Verlagerung auf den Grasbrook für 2,1 Milliarden Euro biete dagegen "hervorragende Perspektiven" für Uni und Stadt.

"Die Studie lässt die konkrete Analyse der realen Lage der Flächenpotenziale, der gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen, der verkehrlichen und stadträumlichen Integration der Standorte für eine Voll- und Teiluniversität vermissen", lautet Kossaks Urteil. Für die Uni in Rotherbaum spreche die Einbettung in ein "vielfältiges gesellschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Umfeld". Andererseits würden für den Kleinen Grasbrook "viele der real gegebenen belastenden Standortfaktoren verschwiegen oder auf den Bildern weggelassen". Es werde so getan, "als läge der Kleine Grasbrook mitten in der City und nicht im Hafenentwicklungsbiet/Freihafen". Konkrete Probleme sieht der Ex-Oberbaudirektor schon in der Bauphase, während der "etwa 500 000 bis 600 000 Lkw-Einheiten fast ausschließlich über die HafenCity" zum Bauplatz geführt werden müssen. Das werde sich "katastrophal" auf die Feinstaub- und Lärmbelastung in der HafenCity auswirken. "Wenn die Umweltbehörde gleichzeitig eine Umweltzone für die innere Stadt und die Veddel einrichten will, geht da etwas umweltpolitisch ganz und gar nicht zusammen", merkt Kossak süffisant an.

Als ebenfalls misslungen wertet der Architekt die finanziellen Kalkulationen. So würden "in grotesker Weise" die Erschließungskosten für den Kleinen Grasbrook in Höhe von einer Milliarde Euro bei den Rotherbaum-Szenarien aufgeschlagen. "Durch diese Manipulation werden die Szenarien 1 und 2 (Rotherbaum, die Red.) plötzlich zu den teuersten Lösungen", schreibt Kossak.

Anders als in der Studie behauptet, sieht der Ex-Oberbaudirektor am Standort Rotherbaum ausreichend Platz für die Erweiterung der Uni, vor allem bei Einbeziehung des Uni-Sportplatzes.

Kossak hat errechnet, dass "bei mittleren Ansätzen" für den Grasbrook Mehrkosten in Höhe von 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro zu veranschlagen sind. So seien die Bau-, die Grundstückskosten und die Kosten der Erschließung zu niedrig angesetzt. Kosten für Tiefgaragenstellplätze und soziale Infrastruktur fehlten ganz.