Mehrheit im Bundesrat fraglich, weil Grüne und FDP als Koalitionspartner in den Ländern gegen den Beschluss sind.

"Kommt eine Einigung über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat nicht zustande, so gilt, dass das Land sich der Stimme enthält." So haben es CDU und GAL auf Seite 64 ihres Koalitionsvertrages im April 2008 vereinbart. In dieser Woche wird die in Koalitionen übliche Festlegung erneut mit Leben erfüllt.

Die GAL lehnt die Anti-Terror-Gesetze der Bundesregierung strikt ab, die CDU ist dafür. Die Folge: Heute wird der schwarz-grüne Senat beschließen, sich bei der Abstimmung am Freitag im Bundesrat zu enthalten. "Mit den Anti-Terror-Gesetzen der Großen Koalition werden ganz konkret Bürgerrechte abgebaut", begründete GAL-Fraktionschef Jens Kerstan im Gespräch mit dem Abendblatt den Schritt.

Ende Mai hatte der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD und gegen Grüne, FDP und Linke die Verschärfung der Gesetze zur Terrorismus-Bekämpfung beschlossen. Unter anderem kann danach der Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers ("Terrorcamp") mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Wer an Mittelsmänner herantritt, um eine Reise in ein solches Ausbildungslager zu arrangieren, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Kerstan: "Bereits bei der Absicht, ein Terrorcamp zu besuchen, wird unterstellt, Mitglied einer Terror-Organisation zu sein."

Außerdem wird die Überwachung der Telekommunikation auf Angehörige ausgedehnt. "Hier ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet", sagte Kerstan.

Auch wer sich im Internet Bombenbauanleitungen anschaut, und sei es versehentlich, laufe Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden. In einer bislang nicht da gewesenen Art werde der Abbau von rechtsstaatlichen Prinzipien betrieben. "Mit den Mitteln des Strafrechts soll Gefahrenabwehr betrieben werden", so Kerstans Vorwurf.

Der GAL-Politiker rechnet damit, dass sich auch das rot-grün regierte Bremen enthalten wird. Entscheidend für die Abstimmung ist das Verhalten der FDP. Erst wenn sich die fünf Länder, in denen die Liberalen mitregieren, enthalten, haben die Gesetze keine Mehrheit. Kerstan: "Ich fordere die FDP auf, diesen Anschlag auf rechtsstaatliche Prinzipien zu verhindern." Die Liberalen müssten "Farbe bekennen".

In Niedersachsen wird das Thema heute im Kabinett beraten, sagte ein Sprecher von Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) dem Abendblatt. Der Ausgang sei offen. Auch in Nordrhein-Westfalen bestehe noch Gesprächsbedarf, so eine Sprecherin von Andreas Krautscheid (FDP), dem zuständigen Minister für Bundesangelegenheiten. "Allerdings läuft es bei uns auf eine Enthaltung hinaus."

Hessen wird sich ebenfalls enthalten. FDP-Parteisprecher Marco Krause sagte: "Die hessische FDP wird darauf hinwirken, dass sich Hessen der Stimme enthält, also dem Gesetz nicht zustimmt." In Bayern ist der Fall genauso eindeutig: "Wir enthalten uns ganz klar der Stimme. Das Gesetz von Frau Zypries ist verfassungsrechtlich auf Kante genäht, das machen wir nicht mit", sagte FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Nach Abendblatt-Informationen soll der baden-württembergische FDP-Justizminister Ulrich Goll in Vorbesprechungen mit Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) jedoch Zustimmung signalisiert haben. Eine Entscheidung soll aber erst heute fallen.