Landesregierung weigert sich, eine Kleine Anfrage von Fraktionsvize Roland Heintze zu Inhalten anonymer Schreiben an die Verwaltung zu beantworten

Hamburg. Schon Name und Adresse des anonymen Schreibens bewiesen viel Sinn fürs Konspirative. "Fall Vatten, Energiechaussee 130" stand passenderweise unter dem mit Insider-Informationen gespickten Text, in dem der Senat eindringlich vor dem Erwerb von 25,1 Prozent des Strom- und Fernwärmenetzes vom Energiekonzern Vattenfall gewarnt wird. Am 22. Juni 2011 ging das anonyme Schreiben bei der Landesregierung ein und sorgte ein Jahr später, als die Inhalte bekannt wurden, für erheblichen Wirbel.

Den Gegnern des 543,5-Millionen-Euro-Deals lieferte das Schreiben Argumente, auch wenn der SPD-geführte Senat standhaft behauptete, daraus keine neuen Erkenntnisse gewonnen zu haben. Inzwischen ist bekannt geworden, dass auch die abrupte Abberufung des Lotto-Chefs Siegfried Spies Ende 2011 auf Vorwürfen aus einem anonymen Schreiben beruhte.

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Das war Grund genug für den CDU-Bürgerschafts-Fraktionsvize Roland Heintze, die Bedeutung anonymer Schreiben für Verwaltung und Politik mit Kleinen Anfragen auszuleuchten. Beim Umfang zeigte sich der Senat noch auskunftsfreudig. Seit März 2011 - also dem Regierungsantritt des SPD-Senats - sind 614 anonyme Schreiben eingegangen. Der weitaus größte Teil - 528 Schreiben - betrafen Steuerangelegenheiten. Bei den restlichen 86 Texten, so der Senat in seiner Antwort auf die Heintze-Anfrage, ging es um "Hinweise und Beschwerden zu unterschiedlichen Aufgabenbereichen der öffentlichen Verwaltung sowie Anschuldigungen gegenüber Dritten".

Doch als Heintze genauer wissen wollte, worum es bei den anonymen Schreiben ging und ob dabei strafrechtlich Bedeutendes herauskam, mauerte die Landesregierung plötzlich. "Die wahllose Abfrage des Inhalts jeglicher beim Senat in einem bestimmten Zeitraum eingegangener anonymer Schreiben dient ersichtlich der unspezifischen Gewinnung von Informationen", teilte der Senat dem Abgeordneten kühl mit. Das überschreite "den Rahmen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Fragerechts" von Abgeordneten.

Nach Heintzes Informationen hatte der Senat bereits damit begonnen, in den Behörden die Inhalte der Schreiben abzufragen, die Aktion dann aber plötzlich gestoppt. Damit mochte sich Heintze nicht abfinden und fand eine Fürsprecherin in Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD).

Anders als der Senat kommt Veit zu dem Ergebnis, dass die Fragen zu den anonymen Schreiben eine "öffentliche Angelegenheit" seien. "Dem folgend hat der Abgeordnete auch in diesem konkreten Fall Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner Anfrage", schrieb die Präsidentin an ihren Parteifreund, Bürgermeister Olaf Scholz. Doch der ließ sich nicht überzeugen. Der Senat halte sich "auch nach nochmaliger Prüfung der Angelegenheit nicht für verpflichtet" zu antworten, schrieb Scholz zurück. "Der Senat befürchtet wohl, dass politisch unangenehme Vorgänge auf den Tisch kommen, und hat Angst vor der Aufarbeitung", sagt Heintze, der nun vor dem Verfassungsgericht klagen will.