Parteien klammern Quoren für Bürgerentscheide in der Hansestadt aus, um den Konsens mit dem Verein Mehr Demokratie zu sichern.

Hamburg. Die fünf Fraktionen der Bürgerschaft werden sich voraussichtlich am 9. Januar auf eine Reform der Bürgerbeteiligung auf Bezirksebene verständigen, die die Abstimmungsverfahren rechtssicherer und effektiver gestalten soll. Das "heiße Eisen" der Einführung von Quoren bei Bürgerentscheiden bleibt dabei ausgeklammert, obwohl GAL-Parteichefin Katharina Fegebank der Diskussion jetzt noch einmal kräftig Schwung gegeben hatte.

"Ich möchte, dass auch in meiner Partei über die Einführung von Quoren neu nachgedacht wird", sagte Fegebank im Fernsehsender Hamburg 1. Die Parteichefin, die dabei unter anderem an in Bürgerentscheiden gescheiterte Wohnungsbauprojekte gedacht hatte, setzt sich von der aktuellen Beschlusslage der GAL ab, die ein Nein zu Erfolgs- oder Teilnahmehürden festschreibt.

Auf den ersten Blick ist die Lage kurios: Obwohl es in der Bürgerschaft eine Mehrheit für die Quoren gibt - SPD, CDU und FDP sind dafür -, wird sie nicht genutzt. Der Grund: Die Fraktionen wollen die Reform gemeinsam mit dem Verein Mehr Demokratie umsetzen, der die direkte Demokratie auf Bezirksebene einst per Volksentscheid durchgesetzt hatte.

+++ GAL-Chefin fordert jetzt doch Quoren bei Bürgerbegehren +++

+++ Bürgerentscheide: "Mehr Demokratie" setzt sich durch +++

"SPD, CDU und FDP sind weiterhin für die Einführung von Quoren auf Bezirksebene, aber wir haben darüber mit Mehr Demokratie kein Einvernehmen erzielen können", sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Die CDU hat ein Teilnahmequorum von 20 Prozent vorgeschlagen, die SPD sogar ein Erfolgsquorum von 20 Prozent für einen verbindlichen Bürgerentscheid. Vielen Befürwortern von Quoren gilt der Bürgerentscheid über den Bebauungsplan Langenhorn 73 als abschreckendes Beispiel. Der geplante Wohnungsneubau war gekippt worden, obwohl sich nur 14 Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk Nord beteiligt hatten, von denen zwei Drittel gegen das Projekt waren.

"Andererseits sind eine Reihe von Änderungen, auf die wir uns mit Mehr Demokratie verständigt haben, unabweisbar notwendig, und deswegen sollten wir das jetzt auch machen", sagt Dressel. Diese Konsensfindung dürfe nicht gefährdet werden. Der CDU-Verfassungspolitiker André Trepoll sieht es so: "Es ist besser, den Spatz in der Hand zu haben als die Taube auf dem Dach."

GAL-Chefin Fegebank hatte dagegen einen Konfrontationskurs vorgeschlagen. "Ich erwarte von allen, die an den Gesprächen teilnehmen, eine gewisse Härte und Hartnäckigkeit gegenüber Mehr Demokratie", sagte die Grüne. Auch der CDU-Vorsitzende Marcus Weinberg sieht es ähnlich. "Man muss den Mut haben, Mehr Demokratie klar zu sagen, dass es so nicht geht", sagte Weinberg. Die "Dynamik der Stadt" sei wegen Bürgerentscheiden, die zum Beispiel Wohnungsbauprojekte verhinderten, gefährdet. "Das wird ein großes Thema 2012. Und da muss man Druck aufbauen", so der CDU-Chef.

Es ist fraglich, ob sich Fegebank in der GAL durchsetzen kann. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich bei den Hamburger Grünen eine Mehrheit zur Beschränkung der Bürgerbe-teiligung findet", sagte der GAL-Ver-fassungsexperte Farid Müller dem Abendblatt. "Das geht an unser Selbstverständnis." Müller, der für die GAL an den interfraktionellen Gesprächen zur Reform teilnimmt, ist der Ansicht, dass sich Bürgerproteste ohnehin nicht auf Dauer unterdrücken lassen, indem man Bürgerentscheide durch Quoren erschwert. Das könne leicht zur Gründung neuer Parteien führen.

Das sind die wesentlichen Punkte, auf die sich Fraktionen und Mehr Demokratie verständigt haben: Die Zulässigkeitsprüfung eines Bürgerbegehrens soll zeitlich vorverlegt werden, um schneller Rechtssicherheit zu erlangen. Die Bezirksversammlung soll zur Beschleunigung der Verfahren das Recht erhalten, einen Bürgerentscheid anzusetzen, auch wenn das Bürgerbegehren noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem soll die Moderation zur Vermeidung eines Bürgerentscheids gestärkt werden.

Die Einbindung des Vereins Mehr Demokratie ist wichtig, weil diese Initiative die Bürgerbeteiligung in den Bezirken einst per Volksentscheid durchgesetzt hatte. Wenn die Bürgerschaft, wie jetzt vorgesehen, das vom Volk beschlossene Gesetz ändern will, hat die Volksinitiative das Recht, auf vereinfachtem Weg ein Referendum durchzusetzen. Der Verein Mehr Demokratie müsste im Laufe von drei Monaten 30 000 Unterschriften sammeln, um die Volksabstimmung über die Bürgerschaftsvorlage zu erzwingen. Das gilt als ausgesprochen machbar.

Wenn sich die Bürgerschaft entschließen würde, die Einführung von Quoren doch noch in den Reformkatalog aufzunehmen, gilt als sicher, dass Mehr Demokratie ein Referen-dum - es wäre das erste in Hamburg - starten würde. Dann wird aber über das gesamte Gesetzespaket abgestimmt. Bei einem Nein des Volkes zu Quoren wäre die gesamte Reform gekippt. Dieses Risiko wollen SPD, CDU und FDP offensichtlich nicht eingehen.