Gerüstaufstellung verzögert sich weiter. Zunächst sollen alle Schäden mit einer Spezialkamera an Bord eines Helikopters erfasst werden.

Hamburg. Inzwischen sind es fünf. Fünf Brocken aus der maroden Fassade der einstigen Hauptkirche St. Nikolai, die im Büro von Markus Schreiber liegen. Mitarbeiter hatten die Steine rund um das im Zweiten Weltkrieg ausgebombte Mahnmal aufgelesen und in das Dienstzimmer des Mitte-Bezirksamtsleiters gebracht.

Den ersten erhielt Schreiber Anfang August. Der Brocken, rund zehn Kilogramm schwer, hätte beinahe für ein Unglück gesorgt. In etwa 100 Meter Höhe hatte sich das Mauerteil vom Turm gelöst und war auf den Radweg der Willy-Brandt-Straße gestürzt - glücklicherweise ohne einen Menschen zu treffen. Unmittelbar danach versprach Schreiber, die Kirche schnellstmöglich - innerhalb einer Woche - mit einem Gerüst zu sichern.

Schnellstmöglich ist offenbar ein dehnbarer Begriff. Gut einen Monat nach dem Steinschlag ist der Bereich um die Kirche noch immer lediglich abgesperrt, aber kein Gerüst aufgestellt. Grund: Zuvor plant die Kulturbehörde einen spektakulären Hubschraubereinsatz. Dabei sollen mit einer Spezialkamera an Bord eines Helikopters sogenannte fotogrammetrische Nahaufnahmen gemacht werden, um ein detailgetreues Gesamtbild sämtlicher Schäden an der Kirche zu erhalten. Zusätzlich sollen für die Messbildaufnahmen im unteren Bereich des Denkmals Hubsteigwagen und Industriekletterer eingesetzt werden. "Wir gehen davon aus", sagt Stefan Nowicki, Sprecher der Kulturbehörde, "dass für die Aufnahmen drei Wochen benötigt werden."

+++ Senat finanziert die Sicherung von St. Nikolai +++

Ob ein Helikoptereinsatz die Fassade weiter schädigt, ist zumindest fraglich. Presseberichte, wonach ein Hubschrauber-Flug am Mainzer Dom abgebrochen werden musste, weil durch den Winddruck der Rotoren Mörtel aus den Fugen der Kirche gefegt worden seien, dementierte indes ein Bistumssprecher gegenüber dem Abendblatt. Allerdings musste vor wenigen Jahren ein ähnlicher Einsatz am Meißner Dom vorzeitig beendet werden. Der Dresdner Hubschrauberpilot Christian Angermann flog damals die Maschine vom Typ Bell. "Das Risiko für die Zuschauer und den Piloten", sagt Angermann, "war einfach zu hoch. Einmal zu nah an der Kirche, und man schmiert ab". Zudem müsse der Pilot den Hubschrauber extrem präzise und ruhig in der Luft halten, damit die Fassade keinen Schaden nehme. Viel sinnvoller sei es, ferngesteuerte Drohnen aufsteigen zu lassen. "Das Risiko für alle Beteiligten ist deutlich geringer, zudem sind Drohnen nur halb so teuer wie Helikopter."

Für einen maßvollen Umgang mit Steuergeldern plädiert Christa Goetsch, kulturpolitische Sprecherin der GAL. "Nicht alles, was für Wirbel sorgt, muss gleich die beste Lösung sein. Tausende Euro Miete pro Stunde für einen Helikopter müssen gut begründet und fachlich gerechtfertigt sein." Die Kulturbehörde schätzt die Kosten für den Helikopter-Einsatz auf "mehrere Zehntausend Euro", so Sprecher Nowicki. Zurzeit hole die Behörde Angebote mehrerer Spezialfirmen ein. Über Drohnen wird bisher offenbar nicht nachgedacht.

Spätestens Anfang Oktober, gerade noch rechtzeitig vor den ersten Herbststürmen, soll die Fassade der Kirche dann endlich eingerüstet und somit auch gesichert sein. Nach Angaben von Schreiber schlagen Aufstellung und Unterhalt des Gerüsts mit jährlich 428.000 Euro zu Buche. Dass vor einer umfangreichen Sanierung sämtliche Schäden an dem Mahnmal erfasst werden, sei "genau der richtige Weg", sagt Klaus Francke, Vorsitzender des Förderkreises "Rettet die Nikolaikirche". Erst wenn alle Mängel bekannt seien, mache es Sinn, Fördermittel zu beantragen. Schätzungsweise sechs Millionen Euro müssten Stadt und Bund gemeinsam aufbringen, um die Kirche wieder auf Vordermann zu bringen. Doch bis die Sanierungsarbeiten beginnen, so sieht es Francke, "wird es wohl wieder Sommer sein".