Hamburg muss Verantwortung für St. Nikolai übernehmen

In den Bauwerken einer Stadt spiegelt sich immer auch ihr Gedächtnis. Paris hat den Louvre, Berlin den Reichstag, Köln den Dom. Und Hamburg? Hamburg hat St. Nikolai. Der schwarz verrauchte Turm der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauptkirche erhebt sich weit über die Stadt. Als Symbol für die Schrecken von Gewaltherrschaft und Zerstörung ist die Ruine am Hopfenmarkt eines der bedeutendsten Denkmäler der Hansestadt - gerade weil sie ein Bekenntnis ist zu den Schattenseiten unserer Geschichte. St. Nikolai ist deshalb auch ein Mahnmal mit bundesweiter Relevanz.

Damit lässt sich in Sonntagsreden trefflich punkten. Wenn es aber um den seit Jahrzehnten bekannten Sanierungsbedarf des Mahnmals geht, haben die Verantwortlichen lieber weggeguckt. Es ist beschämend, dass sich erst ein zehn Kilo schwerer Brocken aus dem Mauerwerk lösen, auf den darunterliegenden Fahrradweg aufschlagen und die Sicherheit von Menschen gefährden musste, damit die Stadt bereit ist zum Handeln. Nach zweitägigem, unwürdigem Gezerre um die Zuständigkeit zwischen Bezirk und Senat gibt es plötzlich einen Finanztopf für die Sicherung des Kirchturms. Auch über die Sanierung wird gesprochen. Auf das Wagnis, die Rettung des Mahnmals einem privaten Unternehmer zu überlassen, wollte man sich dann zu Recht doch nicht einlassen. Er hätte eine Gegenleistung verlangt. Gerade noch die Kurve gekriegt, möchte man ins Rathaus rufen.

Der Umgang mit St. Nikolai wirft aber auch ein Schlaglicht auf ein viel größeres Problem: den gewaltigen Sanierungsstau an öffentlichen Gebäuden in der Stadt. Das marode Congress Centrum ist dafür nur ein Beispiel. Jahrzehntelang wurde in Hamburg versäumt, Vorsorge für den Erhalt zu treffen. Anders als beim CCH, einem 70er-Jahre-Bau mit kommerziellem Zweck, geht es im Fall St. Nikolai um mehr als fehlende Millionen. Die Kirchenruine hat eine Botschaft, die es in die Zukunft zu retten gilt. Sie hat eine moralische Bedeutung. Dieser muss sich die Stadt stellen. Insofern hat der Steinbrocken hoffentlich im Wortsinn "etwas ins Rollen gebracht".