Am Freitag urteilt das Gericht über Sprayer “Oz“. Auch Widerstand gegen die Staatsgewalt ist ein Thema. Doch er sprüht und pinselt munter weiter.

Barmbek. Andreas Beuth, Rechtsanwalt des Sprayers Walter F., bekam recht, schon bevor das Urteil gegen seinen Mandanten heute gesprochen wird: Er werde es nicht sein lassen, egal, ob das Gericht eine Freiheitsstrafe verhänge oder sich für eine Geldstrafe entscheide, sagte der Verteidiger voraus. Am Mittwochabend, zwei Tage vor dem für heute erwarteten Richterspruch, der über den Aufenthalt des 61-Jährigen in den kommenden Monaten entscheidet, haben Polizeibeamte Walter F., genannt "Oz", weil diese Buchstabenkombination die bei seinen Sprüh- und Malereien die am meisten benutzte ist, erneut beim Ver(un)zieren von städtischen und privaten Gegenständen erwischt.

In der Nacht zu Donnerstag sahen Zivilfahnder in Winterhude eine dunkle Gestalt auf einem Fahrrad. An der Maria-Louisen-Straße stieg der Mann ab. Er trat an das Schaufenster eines Friseurgeschäfts. Dann ritzte er mit einem spitzen Gegenstand die Buchstaben "KR" und mehrere Wellen in die Glasscheibe.

Im Verfahren geht es auch um Widerstand gegen die Staatsgewalt

Kurz darauf malte er Kringel auf zwei Stromverteilerkästen der Firma Vattenfall, offenbar mit Teersteinen und diesmal ohne Buchstaben. Die Zivilfahnder stoppten den fast im Rentenalter befindlichen Herrn. Die Papiere, die der Radfahrer ihnen zeigte, kamen ihnen bekannt vor. Zu Fuß setzte Walter F., nachdem die Beamten seine Personalien dokumentiert hatten, seinen Weg fort. Das Fahrrad beschlagnahmten die Polizisten als sogenanntes Tatmittel, weil Walter F. die Tatorte damit erreicht hatte.

Immerhin - und dies ist keine Selbstverständlichkeit: Walter F. wurde weder ausfällig, noch trat oder schlug er nach den Polizisten. Im aktuellen Verfahren, das voraussichtlich heute mit dem Plädoyer des Anwalts Beuth und dem Urteil des Richters im Amtsgericht Barmbek endet, geht es nicht nur um 19 Fälle von Sachbeschädigung, sondern auch um Widerstand gegen die Staatsgewalt. "Oz" hatte sich heftig gegen seine Festnahme zur Wehr gesetzt. Wobei gewiss auch das Sprühen im Falle "Oz" als eine Art Widerstand gegen die Staatsgewalt zu verstehen ist.

Eine Bewährungsstrafe, so sagte es der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, sei gerade auch bei der Vorgeschichte des Mannes nicht mehr vertretbar. 18 Monate Haft beantragte der Anklagevertreter, wohl auch in dem Bewusstsein, dass dem Phänomen und der Sprühlust des Walter F. mit einer weiteren Haftstrafe nicht beizukommen sein wird.

Mehr als acht Jahre lang saß der gebürtige Heidelberger bereits in unterschiedlichen Haftanstalten. Mehr als 120 000 sogenannte Tags hinterließ Walter F. auf Hamburger Häuserwänden, Pollern, auf Bürgersteigen, Dächern und Schildern. Zog er in seiner Frühphase noch ausschließlich mit Sprühdosen los, bewaffnete er sich später auch mit Filzstiften und spitzen metallenen Gegenständen, um Glas zu zerkratzen und in seinem Sinne umzugestalten. Es ginge ihm darum, Kinder fröhlich zu machen, ließ er kürzlich über seinen Anwalt mitteilen. Das Kratzen und Pinseln sei auch ein Zeichen gegen die Herrschaft der "Saubernazis". Dass Walter F. sich offensichtlich von der Justiz nicht von seinen Taten abhalten lässt, macht ihn in gewisser Weise zum sozialen Problemfall.

Der Rechtsanwalt betrachtet das Mandat als Herzensangelegenheit

"Er mag lästig sein. Aber die Gesellschaft muss mit ihm klarkommen", sagte kürzlich Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Anwalt Beuth, der die Vertretung des "Sprühlings" als eine Art Herzensangelegenheit ansieht, hofft auf ein Urteil, das Walter F. von einer Haftstrafe verschont. Längst hat auch die autonome Szene den selbst ernannten Künstler als einen der Ihren akzeptiert. Ob das, was "Oz" in manischer Ausdauer tut, Kunst ist oder Schmiererei, wird das Gericht in seinem Urteil kaum würdigen können. Sachbeschädigung bleibt das Umgestalten von öffentlichem und anderer Leute privatem Besitz allemal. In dem Prozess, der im Februar begann, sind mehr als 30 Zeugen gehört worden. Aus den anberaumten sechs Verhandlungstagen sind mehr als 20 geworden.