Morgen demonstrieren am Schulterblatt Tausende für den Erhalt als “Stadtteil-Kulturzentrum“. Verkauf an einen Investor wird unwahrscheinlicher.

Hamburg. Die Botschaft ist klar, wenn sich morgen um 15 Uhr am Schulterblatt Teilnehmer zur Demonstration "Stadt selber machen" treffen: "Die Flora ist nur im Konflikt zu haben", sagte Florian Rolf, einer der Flora-Sprecher. Mindestens 2000 angemeldete Teilnehmer werden am Sonnabend zum Protestmarsch bis nach Altona erwartet, der Aktionen rund um den 1. Mai einläuten könnte. Der Hintergrund ist brisant: Zwar gibt sich der SPD-Senat gelassen, indem Bürgermeister Olaf Scholz ankündigte, am Zustand des besetzten Hauses nichts ändern zu wollen. Doch darauf vertrauen Sympathisanten des autonomen Zentrums nicht; sie rufen zur großen Solidaritätsdemo auf. Sie befürchten eine Räumung, denn der Flora-Eigentümer, Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer, darf seit Ende März verkaufen. Eine Zehn-Jahres-Sperrfrist, die Teil des Kaufvertrags war, lief zu diesem Zeitpunkt aus.

Längst hat sich ein breites Bündnis mit der Roten Flora solidarisiert, die nicht nur mit Rückhalt in autonomen Kreisen rechnen kann: Im Netzwerk "Recht auf Stadt" sammeln sich Künstler aus dem Gängeviertel ebenso wie Protestler gegen Wohnungsnot und steigende Mieten. Obwohl die Demo-Veranstalter zögern, sich im Namen aller teilnehmenden Gruppen von Gewalt zu distanzieren, lautet ihr Appell, dass es um politische Botschaften gehen muss: "Wir gehen davon aus, dass teilnehmende Personen unser Format mittragen", sagte ein Sprecher.

Bei der Solidaritätsdemo tagsüber sind aus Sicht von Beobachtern keine großen Krawalle zu erwarten, während nächtliche Ausschreitungen in der Schanze erfahrungsgemäß kaum zu verhindern sein werden. Die Polizei hat die Straßen rund um das Schulterblatt daher zum "Gefahrengebiet" erklärt. Das bedeutet: Polizisten dürfen ohne konkreten Verdacht Personen überprüfen, Taschen durchsuchen und Platzverweise aussprechen.

Linke Szene macht für den 1. Mai mobil

Unterdessen wird deutlich, dass die Chancen Kretschmers, die Immobilie gewinnbringend zu verkaufen, ziemlich schlecht stehen. Das ergibt sich aus dem Kaufvertrag, dem Grundbuchauszug und weiteren Vereinbarungen, die dem Abendblatt vorliegen. So ist im Grundbuch eine "bauliche Beschränkung" festgeschrieben: Demnach darf die Flora zwar von innen umgebaut, renoviert, vielleicht sogar neu gebaut werden - aber die derzeitige Größe und die äußere Gestaltung muss erhalten bleiben. Eine im Grundbuch zementierte Nutzung als Stadtteilzentrum - wie von Innensenator Michael Neumann (SPD) kürzlich im Abendblatt-Interview geäußert - gibt es allerdings nicht. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Michael Conrad, Experte für Vertragsrecht der Kanzlei elblaw, hat Klausmartin Kretschmer durchaus die Möglichkeit, die Rote Flora auch an einen Investor zu verkaufen, der das Gebäude nicht weiter als Kulturzentrum im Stadtteil betreiben will. "Es ist denkbar, dass ein neuer Eigentümer einen gewerblichen Betrieb startet", sagte Conrad dem Abendblatt. "Neue Anbauten oder neue Geschosse, die über das Maß der bisherigen Bebauung hinausgehen, sind nach derzeitiger Grundbuchlage aber nicht genehmigungsfähig", so die Einschätzung des Experten.

Die Chancen, dass die Rote Flora verkauft und künftig kommerziell genutzt wird, sind jedoch ohnehin eher gering. Denn die Stadt Hamburg hat verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, um dies zu verhindern. So ist das Viertel noch bis Ende 2012 als Sanierungsgebiet ausgewiesen - und deswegen hier nur ein Stadtteilzentrum erlaubt. Der Senat kann diese Frist jederzeit verlängern. Außerdem wird das Schanzenviertel mit großer Wahrscheinlichkeit zum Gebiet der "Sozialen Erhaltungsverordnung" erklärt. Mit diesem Instrument werden Mieterhöhungen und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen erschwert. Und: Häuser darf man nur mit Erlaubnis des Bezirksamts abreißen. Doch selbst wenn in einigen Jahren tatsächlich ein Gericht einem Investor einen Räumungstitel erteilen würde, wären ihm die Hände gebunden. Denn Hamburg würde nach Meinung von Experten die Rote Flora trotzdem nicht räumen lassen. Die Stadt kann aus "gesamtstädtischem Interesse" den Gerichtsbeschluss ignorieren. Der gesamte Stadtfriede, so sagen es Juristen, sei höher zu bewerten als ein einzelnes Investoreninteresse.

Angesichts dieser Voraussetzungen ist der Kauf der Immobilie für Investoren nicht eben attraktiv. Denn Planungssicherheit kann niemand gewährleisten. Und da es einen parteiübergreifenden Konsens gibt, die Rote Flora nicht räumen zu wollen, wird sich daran auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Zu groß ist die Sorge, mit einer Räumung Krawalle ungekannten Ausmaßes zu provozieren.

Die Duldung der Besetzer währt mittlerweile seit zehn Jahren. 2001 hatte der heute 52-jährige Klausmartin Kretschmer die Rote Flora für 370 000 Mark von der Stadt gekauft. Er befriedete damit einen Konflikt, der der damals regierenden SPD vor der Bürgerschaftswahl 2001 schwer zu schaffen machte. Denn die oppositionelle CDU hatte die Duldung der Besetzer scharf kritisiert. Die Besetzung einer privaten Immobilie - deren Eigentümer nichts dagegen hat - war dagegen kein großes Politikum mehr.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der neue Senat wähnt sich am längeren Hebel. Sollte es doch zu einem Rückkauf kommen, will Hamburg keinen allzu hohen Preis bezahlen. Maximal den Verkehrswert, wohl weniger als eine Million Euro, würde man bezahlen.

Doch nicht nur die Haltung der Politik, auch die der Besetzer hat sich gewandelt. "Die Rote Flora tritt in einen kommunikativen Prozess ein, sie hat sich geöffnet und an die Recht-auf-Stadt-Bewegung angedockt", sagt Andy Grote, Stadtentwicklungsexperte der SPD-Fraktion. "Wichtig ist: Jeder Diskurs und jeder politische Protest kann nur Erfolg haben, wenn er klar gewaltfrei bleibt." Zu einem solchen Bekenntnis haben sich die Rot-Floristen bisher nicht durchringen können. Auch wenn es vorsichtige Distanzierungen gegenüber der Zerstörungswut unpolitischer jugendlicher Randalierer gab. Klausmartin Kretschmer war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.