Ende März verfällt eine wichtige Klausel im Vertrag. Ab dann könnte der Eigentümer Klausmartin Kretschmer die Immobilie verkaufen.

Sternschanze. Im Grundbuch wird das Areal als "Flurstück 1954 I" bezeichnet, es ist exakt 1770 Quadratmeter groß und gilt als Ausgangspunkt, wenn es mal wieder kracht in der Schanze. 2001 verkaufte der damals SPD-geführte Senat die von Linkautonomen besetzte Rote Flora samt Grundstück, um die ständige Diskussion um Räumung und Randale aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Zehn Jahre und mehrere Wahlkämpfe später gehen die Parteien jetzt erneut auf Tauchstation. Obwohl in gut vier Wochen, am 28. März, eine wichtige Vertragsklausel in dem Kaufvertrag entfällt, das Gebäude weiterverkauft werden könnte, Räumung und Randale drohen, hält man das Thema wieder aus dem Wahlkampf heraus. Statt Entscheidungen zu treffen, die eine solche Zuspitzung abwenden könnten. "Herr Ahlhaus äußert sich nicht zum Thema Rote Flora", heißt es lapidar bei der CDU. "Die Rote Flora eignet sich nicht als Wahlkampfthema", sagt auch SPD-Politiker Andy Grote. "Wir werden aber nichts unternehmen, um die jetzigen Nutzer rauszubekommen", so Grote.

Doch was könnte passieren, wenn der jetzige Eigentümer, der schillernde Hamburger Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer, das frühere Theatergebäude tatsächlich verkauft, wie er bereits öffentlich spekuliert. Und wenn der Neu-Eigentümer dann eine Räumung erwirken könnte? Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sieht dann berufsmäßig schwarz für den Stadtfrieden. Er rechne bei einem Verkauf der Roten Flora mit monatelangen Auseinandersetzungen zwischen linken Gruppen und der Polizei, sagte er dem Abendblatt. "Dabei wird nicht nur die linksautonome Szene aus Hamburg beteiligt sein, sondern aus ganz Europa." Der Hamburger Verfassungsschutz ist nicht ganz so pessimistisch. Es bestehe zwar die Gefahr, aber keinen Automatismus zur Gewalt, sagt Manfred Murck, stellvertretender Leiter des Landesamtes. Zwar hingen die Rotfloristen an dem Objekt und versuchten es auch zu halten. Doch gebe es innerhalb der Szene Personen, die durchaus bereit seien, in einen "Diskussionsprozess einzusteigen, der Verhandlungscharakter" habe. Möglicherweise würden dann auch Alternativ-Objekte zur Roten Flora akzeptiert.

Das setzt aber voraus, dass sich Kretschmer und ein späterer Käufer genau an den Buchstabenlaut des 2001 geschlossenen Vertrags halten: Danach verliert die Stadt nach zehn Jahren zwar ihr Mitspracherecht bei einem Verkauf. Im Vertrag ist aber festgeschrieben, dass die Rote Flora ein "gemeinnütziges Stadtteilkulturzentrum" bleiben muss.

Es war ein Märztag 2010, als der Dezernentenrunde des Bezirksamts Altona der Gedanke kam, dass es auch ganz anders kommen könnte: Im schlimmsten Fall, so vermuten die Verwaltungsjuristen, könnte Kretschmer verkaufen, ohne den Passus "Stadtteilzentrum" in den Kaufvertrag zu übernehmen. Dann könnte die Stadt von ihm Schadenersatz verlangen - aber der neue Eigentümer könnte neu planen, "und der Schlamassel wäre da", so ein Teilnehmer der Runde. Bis 2012 ist das Schanzenviertel noch Sanierungsgebiet, die Stadt hat in dieser Zeit noch Vetorechte bei der Nutzung von Grundstücken - danach könnte ein neuer Eigentümer auf den alten Baustufenplan pochen. Und der sieht dort eine kulturelle Nutzung vor - was aber auch ein kommerzielles Musical mitsamt Büros sein könnte. Um es zu bauen, müsste eine Räumung beantragt werden - mit den von Lenders beschriebenen Folgen. Die Bezirksverwaltung konnte im Sommer 2010 daher Noch-Bürgermeister Ole von Beust (CDU) überzeugen, dass man mit Kretschmer über einen Rückkauf verhandeln müsste. Laut Boden-Gutachten ist das Grundstück 1,3 Millionen Euro Wert. Kretschmer, der 2001 rund 730 000 Euro bezahlt hatte, soll aber zwischen fünf und acht Millionen gefordert haben. Das Problem: Jeder Preis über dem Verkaufswert von 1,3 Millionen Euro müsste von der Bürgerschaft abgesegnet werden. Eine Steilvorlage für die Opposition. Nach dem Beust-Rücktritt ließ der schwarz-grüne Senat das Thema daher dahinschlummern. Was Altonas Bezirkschef Jürgen Warmke-Rose noch diplomatisch umschreibt: "Der gegenwärtige Zustand ist nicht unproblematisch."