Katastrophe von Fukushima verunsichert Verbraucher. Zehntausende bestellen Ökostrom. Ist der Weg hin zu grüner Energie der richtige?

Hamburg. Der Strom kommt aus der Steckdose - die alte Faustregel gilt gleichermaßen für Gegner und Befürworter der Atomkraft. Auf komplizierten Wegen gelangt unsere wichtigste Alltagsenergie von der Quelle zum Verbraucher. Die neue Debatte um die Stromwirtschaft in Deutschland lässt viele Menschen rätseln, wie sicher unsere Versorgung mit weniger Atomkraft ist - und wie stabil sie künftig sein wird. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Aus welchen Quellen beziehen die Hamburger ihren Strom?

In Hamburg selbst stehen keine Atomkraftwerke. Der Strom, der im Hamburger Stadtgebiet erzeugt wird, stammt aus Kohle- und Gaskraftwerken wie etwa in Tiefstack. Auch erneuerbare Energien, vor allem Windkraft und die Biomasse, spielen eine Rolle, in geringem Umfang auch die Verbrennung von Müll. Hamburg kann sich jedoch nicht komplett selbst versorgen und bezieht Strom vor allem auch aus Kraftwerken in Schleswig-Holstein. Wichtig ist dabei derzeit vor allem das Atomkraftwerk Brokdorf. Die Anlagen Brunsbüttel und Krümmel sind bereits seit 2007 nach Störfällen nicht mehr am Netz und werden den Betrieb nach der Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik wohl auch nicht mehr aufnehmen. Strom und Fernwärme liefert Schleswig-Holstein nach Hamburg aus dem Kohlekraftwerk Wedel. Dieses soll in absehbarer Zeit vom Netz gehen, nachdem im kommenden Jahr das neue Kohle-Großkraftwerk in Moorburg den Betrieb aufgenommen haben wird. Fester Bestandteil der Hamburger Stromversorgung ist mittlerweile auch die Windkraft aus vielen Anlagen vor allem in Schleswig-Holstein, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern.

Würden in Hamburg ohne deutsche Atomkraftwerke die Lichter ausgehen?

Nein. Vor allem in Ostdeutschland gibt es ausreichend leistungsstarke Braunkohlekraftwerke, die auch den Norden teilweise mitversorgen könnten. Neun der insgesamt 17 deutschen Atomreaktoren sind derzeit nicht am Netz. Die Versorgung des Landes läuft dennoch reibungslos. Würde man alle 17 Atomreaktoren kurzfristig abschalten, ohne Reservekapazitäten einzusetzen oder zusätzlichen Strom zu importieren, würde dies die Stabilität des Netzes wohl gefährden - allerdings eher in Süd- als in Norddeutschland. Dort stehen zwei Drittel aller deutschen Atomkraftwerks-Kapazitäten, der Strombedarf vor allem in der Industrie ist höher.

Bis wann könnte Deutschland aus der Nutzung der Atomkraft aussteigen?

Das Öko-Institut in Berlin kommt in einer neuen Studie zu dem Ergebnis, dass zehn Reaktoren in Deutschland sofort vom Netz gehen könnten, ohne die Stromversorgung zu gefährden, weitere vier bis zum Jahr 2013 und die übrigen drei bis 2020. An der Elbe sind derzeit eine Reihe neuer Kohle- und Gaskraftwerke geplant oder im Bau. Zudem werden die Windparks in den Küstenländern sowie auf der Nord- und Ostsee weiter ausgebaut. Das lange Zeit umstrittene Steinkohlekraftwerk Moorburg könnte Hamburg mit einer Leistung von 1640 Megawatt komplett mit Strom versorgen. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in Berlin hält den Ausstieg bis zum Jahr 2022 nach wie vor für möglich, wie ihn ursprünglich die rot-grüne Bundesregierung geplant hatte. Wesentliche Voraussetzungen dafür seien allerdings der Neubau von rund 4500 Kilometer langen Hochspannungsnetzen vor allem für den Transport von Ökostrom, die Steigerung des Ökostrom-Anteils von derzeit rund 17 auf bis zu 40 Prozent und auch der Neubau von Kohle- und Gaskraftwerken.

Fließt Ökostrom aus der Steckdose, wenn man Ökostrom bestellt?

In Hamburg wie auch an den meisten anderen Orten in Deutschland ist das nicht der Fall. Strom, auch unter der Angabe Ökostrom, stammt hier in der Stadt aus den unterschiedlichsten Quellen. Fachleute der Energiewirtschaft nennen dies "grauen" Strom. Wer in Hamburg mit Ökostrom versorgt wird, bezieht effektiv eine Mischung aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken, aus Windanlagen und anderen regenerativen Quellen. Die Stromversorgung läuft wirtschaftlich und technologisch getrennt. Alle Kraftwerke speisen ihre Leistung in die Netze regionaler Betreiber ein und gewährleisten damit den nötigen Stromfluss. Wer Ökostrom bezieht, trägt trotzdem zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei. Denn Versorger wie Greenpeace Energy oder Lichtblick verpflichten sich bei der Lieferung von grünem Strom, diesen an einer bestimmten Stelle von ihren Lieferanten tatsächlich ins deutsche Stromnetz einspeisen zu lassen. Dies kann zum Beispiel Strom aus Wasserkraftwerken in Österreich sein, der von dort in ein bayerisches Netz fließt. Die beteiligten Stromversorger und Netzbetreiber in Bayern und in Hamburg verrechnen ihre Leistungen dann miteinander. Der Kunde hat damit nichts zu tun.

Wer verdient was an einer Kilowattstunde Strom?

Am Strommarkt sieht es ähnlich aus wie an den Tankstellen. Der Staat kassiert bei der Vermarktung von Energie - die jeder benötigt - kräftig mit. Vom Strompreis entfällt heutzutage rund ein Drittel auf staatliche Anteile wie Steuern und Konzessionsabgaben. Fünf bis sechs Prozent werden für die Förderung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung fällig. Rund ein Viertel des Preises entfällt auf die Netzgebühren. Den Rest zahlt der Verbraucher für Erzeugung und Vertrieb des Stroms inklusive des Gewinns, den der Versorger kassiert.

Kann Hamburg eines Tages ganz auf erneuerbare Energien umsteigen?

Zumindest in der Theorie zeichnet sich ab, dass ganz Deutschland und damit auch Hamburg in einigen Jahrzehnten komplett mit Ökostrom versorgt werden könnte. In jüngerer Zeit wurden dazu eine Reihe von Studien erarbeitet, etwa von den Fraunhofer-Instituten oder dem Umweltbundesamt. Eine komplette Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen kann funktionieren, wenn eine wachsende Zahl von Windkraftwerken und Solaranlagen, von Biomassekraftwerken und Erdwärmeanlagen mit modernen Stromnetzen verbunden wird. Um die Schwankungen bei der Stromerzeugung in Wind- und Sonnenkraftwerken auszugleichen, braucht man ein System von Energiespeichern. Dies können zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland oder Skandinavien sein. Mit überschüssigem Strom pumpt man dort Wasser in Becken. Wenn der Strom gebraucht wird, treibt das Wasser über Fallleitungen Generatoren an. Als Energiespeicher können aber auch moderne Großbatterien und unterirdische Druckluftkammern dienen. Eine wachsende Rolle für eine stabile Versorgung mit Ökostrom spielt außerdem Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft.

Was kann man als Verbraucher tun, um den Atomausstieg mitzugestalten?

Dutzende Unternehmen versorgen Haushalte in Deutschland heutzutage mit Strom. Verbraucherportale wie verivox.de im Internet, aber auch die Verbraucherzentralen bieten dazu gute Überblicke. Mit der Wahl des Stromversorgers kann der Kunde Einfluss auf die Entwicklung der Stromversorgung nehmen. Die Anbieter deklarieren, aus welchen Quellen sie den Strom beziehen. Vor allem die Ökostrom-Versorger vertreten am Markt das Ziel, ihre Gewinne zu einem bestimmten Teil in den weiteren Ausbau von Kraftwerken mit regenerativen Technologien zu investieren. Der Wechsel des Versorgers ist unproblematisch. Der neu gewählte Anbieter verlangt in der Regel eine Vollmacht und kümmert sich dann um die Formalitäten des Wechsels. Wer eine Solaranlage installiert hat, speist den Strom gegen Gebühr zumeist ins Netz ein. Strom vom Dach können die Haushalte aber auch selbst nutzen. Das lohnt sich je nach tageszeitlichem Strombedarf und technischer Ausstattung.