CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich spricht über den neuen Hamburger Bürgermeister, sein eigenes Gehalt und die Querelen in seiner Partei.

Hamburg. Bis zum Montag war Dietrich Wersich (CDU) Senator für Soziales und Schule. Jetzt muss er als Oppositionsführer den SPD-Senat attackieren. Das Hamburger Abendblatt sprach mit dem neuen CDU-Fraktionschef in seinem Büro im Rathaus.

Hamburger Abendblatt: Herr Wersich, haben Sie Phantomschmerzen?
Dietrich Wersich: Nein, aber ich weiß, was das ist.

Bislang mussten Sie als Chef der beiden größten Behörden mit rund 20.000 Mitarbeitern täglich große und kleine Krisen bewältigen. Jetzt leiten sie eine 28-Personen-Fraktion. Langweilt Sie das?
Wersich : Ich bin zwar mit Wehmut aus dem Amt geschieden. Aber jetzt habe ich eine völlig andere Aufgabe, die ich mit ebenso großer Freude mache.

Um die Regierung kontrollieren zu können, brauchen Sie gute Mitarbeiter. Kann die CDU-Fraktion es sich leisten, das Gehalt ihres Chefs aus Fraktionsmitteln auf mehr als 13.000 Euro zu verdoppeln?
Wersich : Die CDU hat schon vor Jahrzehnten entschieden, dass ihr Fraktionschef als Gegengewicht zum Senat Politik nicht nur in Teilzeit machen kann und keinen anderen Beruf ausüben soll. Deshalb wurde er wie ein Senator bezahlt.

Andere Fraktionschefs verdienen als Vollzeitpolitiker nur 7368 Euro.
Wersich : Die Frage war, ob man auch Menschen für diese Position gewinnen kann, die sonst in anderen Berufen, beispielsweise als Arzt oder Anwalt, mehr verdienen würden.

Das heißt, wenn das Gehalt gekürzt wird, würden Sie wieder als Arzt arbeiten?
Wersich : Das ist sehr hypothetisch, denn wir haben in der Fraktion noch nicht über das künftige Vorgehen gesprochen.

In der CDU sind nach der Wahl viele Gräben aufgebrochen, man hat sich beleidigt und verklagt. Was ist da los?
Wersich : Nein, die Diskussion ist bis auf Einzelfälle angemessen. Diese waren unnötig, aber das kommt in den besten Parteien vor. Wenn man bei einer Wahl 20 Prozentpunkte verliert, darf keine Friedhofsruhe herrschen. Wir müssen klären, warum wir das Vertrauen verloren haben und wie wir es zurückgewinnen können.

Haben Sie schon eine Vision für Hamburgs Zukunft?
Wersich : Klar! Unsere Idee der "wachsenden Stadt" hat Hamburg in allen Lebensbereichen vorangebracht: mehr Einwohner, mehr Arbeitsplätze, eine stärkere Wirtschaft, aber auch mehr Studenten und Universitäten und besserer Umweltschutz. Wir wollen eine der attraktivsten Städte Europas sein. Daran arbeiten wir weiter.

Und wenn die SPD das auch tut, was gibt es dann zu kritisieren?
Wersich : Solange es kein Plagiat wird, also Scholz sagt, dass er CDU-Politik weitermacht, bin ich zufrieden. Befremdlich ist aber, dass Scholz nahezu autokratisch agiert. Sollte er nicht einen hanseatisch-kollegialen Regierungsstil entwickeln, dann sage ich Hamburg schwere Zeiten voraus.

Schwere Zeiten hatten viele Eltern, als Sie als Senator die Kitagebühren erhöht haben. Scholz will das zurücknehmen. Werden Sie das bekämpfen?
Wersich : Wegen der Steuereinbrüche durch die Wirtschaftskrise mussten wir leider die Eltern stärker belasten. Dies wollten wir bei besseren Steuereinnahmen zurücknehmen. Das wird kein Konflikt sein. Anders ist das bei der geplanten Abschaffung des Essensgeldes. Ich frage mich, warum die Stadt 20 Millionen Euro ausgeben soll, um in der Kita auf den einen Euro pro Tag für das Essen zu verzichten, während es in der Schule drei Euro kostet. Wenn die Stadt 20 Millionen Euro übrig hat, würde ich das eher in bessere Schulräume stecken.

Ist das SPD-Versprechen realistisch, teilweise kostenlose Kitas anzubieten?
Wersich : Die Frage ist, wie es finanziert werden soll. Schulden belasten die Kinder, deshalb wollen wir, dass möglichst schon 2013 keine neuen Schulden gemacht werden.

Das SPD-Ziel, die Ausgaben um maximal ein Prozent zu steigern, hatten Sie "Verarsche" genannt. Bleibt diese Wortwahl Stil der politischen Auseinandersetzung?
Wersich : Es war einmalig, weil mir wegen der unseriösen Versprechungen der Kragen geplatzt war. Deshalb werde ich nicht zum Herbert Wehner.

Wird der Scholz-Senat die Ein-Prozent-Hürde nicht einhalten können?
Wersich : Abwarten. Es drohen entweder Personalabbau oder gravierende Einschnitte ins soziale System und in die Infrastruktur.

Viele Parteimitglieder fordern mehr Frauen in Führungspositionen. Warum klappt das bei der CDU nicht?
Wersich : Dass in der Fraktion unter 28 Abgeordneten nur vier Frauen sind, ist auch ein Ergebnis des neuen Wahlrechts. Mit Birgit Stöver wurde gerade eine Abgeordnete in den engeren Fraktionsvorstand gewählt.

Viviane Spethmann hat nicht mehr für den Fraktionsvorstand kandidiert, weil Sie Chef wurden. Woran liegt das?
Wersich : Da müssten Sie Frau Spethmann selbst befragen.

Mit Christoph Ahlhaus und Frank Schira sind die ehemals mächtigsten CDU-Politiker nun einfache Abgeordnete. Wie ist das für Sie, plötzlich deren Chef zu sein?
Wersich : Wir haben kein hierarchisches Verhältnis, sondern einen kollegialen Umgang. Anders als im Arbeitsleben werden Politiker nicht für eine spezielle Funktion fest eingestellt. In der Demokratie sind es stets Ämter auf Zeit. Insofern ist es normal, eine Reihe zurückzutreten.

Wollen Sie auch Landeschef werden?
Wersich : Nein. Mein voller Einsatz wird im Parlament gebraucht.

Könnte der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg diese Aufgabe übernehmen?
Wersich : Klar, ich traue ihm das zu. Aber ich glaube, es wird noch weitere Kandidaten geben. Wichtig ist, dass die Mitglieder befragt werden. Unser Landeschef muss nach so einem Wahlergebnis von der Basis getragen werden.