Gegenwind für Marcus Weinberg, den einzigen Bewerber um den Parteivorsitz. Ein Gegenkandidat zu Weinberg bisher nicht vorgeschlagen.

Wilhelmsburg. Nach einem langen und harten Tag ist vielen Menschen nach einem Glas Wein und einer Zigarette. Und dieser Abend in Wilhelmsburg war definitiv lang und hart für Marcus Weinberg. So steckte sich der CDU-Parteivize noch im Foyer des Bürgerhauses eine an, orderte ein Gläschen und strahlte dabei eine Mischung aus Aufgekratztheit und Erschöpfung aus, die sinnbildlich war für seine Lage und die der Partei.

Kurz zuvor hatte der Bundestagsabgeordnete den gut 300 anwesenden Christdemokraten erklärt, warum er nach dem desaströsen Wahlergebnis und dem angekündigten Rücktritt von Frank Schira den Landesverband führen möchte. Er hatte das Bild einer "weißen Wand" bemüht, die nun alle Chancen biete, darauf das CDU-Gemälde der Zukunft zu malen, und davor gewarnt, "Gräben aufzuschütten" wie in der zerstrittenen Berliner CDU.

Doch seine Rede, gehalten erst nach zwei Dritteln einer mehr als dreistündigen und für CDU-Verhältnisse ungewöhnlichen offenen Debatte, verfing nicht so recht. Und ein Graben war zu diesem Zeitpunkt längst ausgehoben - von denen, die Weinberg bis heute nachtragen, dass er die geplante Primarschule unterstützt hatte. Reinhard Behrens, Ingeborg Knipper, Friedtjof Kelber und Karin Prien - all die erbitterten Primarschulgegner, die dieses Zugeständnis an die Grünen als die Wurzel des CDU-Übels sehen, sie waren im Bürgerhaus deutlich in der Mehrheit - zumindest gemessen am Applaus.

Den Mut, sich als Gegenkandidat zu Weinberg zu positionieren oder wenigstens jemanden vorzuschlagen - zum Beispiel Noch-Innensenator Heino Vahldieck -, brachte aber niemand auf. Noch nicht. Denn der Wunsch, die geplante Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz mit mindestens zwei Kandidaten durchzuführen, war unüberhörbar.

Doch Weinberg hat auch prominente Fürsprecher. "Ich könnte mit ihm als Vorsitzendem gut leben", sagte Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse nach der Veranstaltung. Weinberg sei durchaus in der Lage, den parteiinternen Moderationsprozess in Gang zu setzen. Und Gegenwind würde auch jedem anderen Kandidaten entgegengeschlagen. "Es herrscht zu viel destruktive Energie, die ist auch bei der weiteren Kandidatensuche nicht hilfreich", sagte Hesse. Karl-Heinz Warnholz freute sich hingegen, dass er in seinen fast 50 Jahren in der CDU "noch nie so eine offene Diskussion" erlebt habe.

Die scheidende Bürgerschaftsabgeordnete Karen Koop bescheinigte Weinberg Potenzial, er müsse aber deutlich mehr Führungsqualität zeigen. Vahldieck sei eine denkbare Alternative. Am liebsten wäre der Streiterin für die Gleichberechtigung aber eine Frau an der Spitze oder eine gemischt besetzte Doppelspitze. "Ich finde, das ist ein attraktiver Gedanke", sagt Koop, die selbst nicht für einen Posten zur Verfügung steht. Letztlich werde man wohl eine Quote einführen müssen.

Das stößt aber selbst bei den CDU-Frauen auf Widerstand. "Ich mag es überhaupt nicht, wenn Posten mit Frauen besetzt werden, nur weil es Frauen sind", sagt beispielsweise die Neu-Abgeordnete Katharina Wolff. Auch als Frau müsse man sich eben durchsetzen. Doch beim Parteivorsitz müsse sich jeder gut überlegen, ob er oder sie sich das "antun will": "Wer sich zur Wahl stellt und es dann nicht schafft, wird in der Partei total abgestraft", sagt Wolff. "Ich kann mir gut vorstellen, dass keiner sich traut, zu kandidieren." Sie selbst könnte sich vorstellen, Weinberg als einzigen Kandidaten zu unterstützen. Ihre Wunschkonstellation wäre aber ein Duell Weinberg gegen Vahldieck.

Unfreiwillig für Gelächter sorgte Matthias Busold von der CDU Alsterdorf. Er schlug eine "Task-Force" zur Findung des neuen Vorsitzenden vor und gab generös zur Protokoll. "Da können auch gern Frauen dabei sein."