Wie die Unternehmen von Thomas Martens, dem Gründer der Krankenkasse Securvita BKK, von dem Geld der gesetzlich Versicherten profitierten.

Hamburg. Im August 2004 spitzt sich die Situation zu. Ellis Huber, der Vorstand der Securvita BKK, wird vermutlich unter Anspannung gestanden haben. Er steckt in einer Zwickmühle. Einerseits ist er der Chef der Krankenkasse und hat die Aufgabe, ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Andererseits ist er mit Thomas Martens befreundet. Der Securvita Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH (Securvita Konzept GmbH), bei der Martens Alleingesellschafter ist, gewährt die Securvita BKK ein Darlehen in Höhe von insgesamt 2,75 Millionen. Doch Martens' Unternehmen kann oder will das Geld nicht pünktlich zurückzahlen.

Als eine Prüfung der Bücher durch das Bundesversicherungsamt (BVA) ins Haus steht, gerät Ellis Huber vermutlich unter Druck. Er schreibt Thomas Martens, der gleichzeitig Gründer und Verwaltungsratsvorsitzender der Krankenkasse ist, eine E-Mail.

Es ist eine Nachricht, die mit "Lieber Thomas" beginnt. Er weist Martens in dem Schreiben darauf hin, dass bei der anstehenden Prüfung des Finanzstatus der Krankenkasse durch das BVA verschiedene Kreditbuchungen Fragen aufwerfen könnten. Zudem informiert er seinen Duz-Freund darüber, dass der eigene Kassenprüfer der Securvita BKK ungeduldig werde und die Prüfung auf Eis gelegt habe, bis die Kreditverhältnisse zwischen der BKK und Martens' Firma geklärt seien. Der Prüfer sehe das Ganze als ein schwerwiegendes Ereignis. Huber vermutet, dass der Kassenprüfer das BVA oder den Verwaltungsrat informieren könnte. Als Alternative sieht Huber offenbar die Darlehens-Rückzahlung verbunden mit einer internen Beanstandung des Darlehensvertrags zwischen der Kasse und der Securvita Konzept GmbH. In der Nachricht lässt Huber durchblicken, dass er nicht weiß, wie es weiter gehen soll. Er bittet Martens, dass sie möglichst bald über das weitere Vorgehen sprechen. Zudem will er von Martens wissen, wann die Securvita Konzept GmbH das Darlehen zurückzahlen kann.

Warum ging die Securvita Konzept GmbH, mit der Thomas Martens 1984 das Fundament für seine Unternehmensgruppe gelegt hatte, eigentlich nicht zu einer Bank, um ein Darlehen zu beantragen? Oder hat er bei einer Bank um einen Kredit gebeten, ihn aber nicht erhalten? Thomas Martens wollte sich dem Abendblatt gegenüber nicht dazu äußern.

Fest steht, dass seine Firma und die Securvita BKK am 2. Januar 2003 eine Vereinbarung schließen. Obwohl die Krankenkasse selber einen Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro abbezahlen muss, gewährt sie der Securvita Konzept GmbH ein Darlehen in Millionenhöhe. Fehlte Martens' Firma möglicherweise die Liquidität, um den Kredit zurückzuzahlen?

Fakt ist, dass die Securvita Konzept GmbH, vertreten durch Thomas Martens, und die Securvita BKK, vertreten durch den Vorstand Dr. Ellis Huber, am 23. Dezember 2003 einen sogenannten Anteils- und Übertragungsvertrag abschließen: Martens' Firma will ihre Geschäftsanteile an der L.T.D. Lübeckertordamm Entwicklungs-GmbH (LTD) für 2,75 Millionen Euro an die Krankenkasse verkaufen. Die LTD ist das Unternehmen, bei dem Martens über seine Firma Mitgesellschafter ist und die bereits Ende 2002 mit der Securvita BKK einen Mietvertrag über 20 Jahre für Geschäftsräume in einem noch zu erstellenden Neubau am Lübeckertordamm in St. Georg abgeschlossen hat. Da mehr Büroflächen angemietet werden als die Kasse benötigt, ist der Vertrag zum finanziellen Nachteil für die BKK. Sogar zur Instandhaltung und -setzung verpflichtet sich der Mieter - eine ungewöhnliche Vertragsklausel.

Doch der Anteils- und Übertragungsvertrag zwischen der Securvita Konzept GmbH und der Krankenkasse wird nie rechtskräftig. Der damalige Finanzchef der Securvita BKK weist Ellis Huber eine Woche nach dem Vertragsabschluss darauf hin, dass er eine wirksame Unterzeichnung des Vertrages für nicht möglich erachte. Weder seien die anderen Mitglieder des Verwaltungsrats der BKK miteinbezogen worden, noch sei der Vertrag dem BVA vorgelegt worden, begründet der Finanzchef.

Das geplatzte Geschäft bedeutet nicht die Pleite für die Securvita Konzept GmbH. Aber sie lässt mehrere Rückzahlungstermine für das Darlehen verstreichen.

Thomas Martens greift zu Plan B. Mit dem lukrativen und sehr langfristigen Mietvertrag in der Tasche kann er über seine GmbH die Anteile an der LTD im Nennwert von 50.000 Euro am 3. November 2004 an die Versicherungskammer Bayern und die Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG verkaufen: für 4,225 Millionen Euro. Jetzt geht alles ganz schnell. Nur gut zwei Wochen später wird der Verkauf des städtischen Grundstücks, auf dem der gläserne Bürokomplex errichtet werden soll, an die Lübeckertordamm Entwicklungs-GmbH beurkundet. Dem Bau des 40 Millionen Euro teueren Gebäudes am Lübeckertordamm steht nichts mehr im Wege. Auffällig ist, dass die Securvita Konzept GmbH kurz darauf - am 2. Dezember 2004 - das Darlehen an die Krankenkasse zurückzahlt. Fakt ist, dass das Geschäft der Securvita Konzept GmbH einen beträchtlichen Geldsegen bescherte. Und der Securvita BKK einen teuren Mietvertrag, der insgesamt mehr als 50 Millionen Euro kosten wird.

Ob sich Thomas Martens im Zusammenhang mit dem 20-jährigen Mietvertrag wegen Untreue in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht hat, untersucht nun die Hamburger Staatsanwaltschaft. Wie berichtet, wird gegen Thomas Martens, den aktuellen Vorstand Ellis Huber und die ehemaligen Vorstände Helge N. und Michael P. ermittelt (Aktenzeichen: 3302 Js 90/10).