Firma des Verwaltungsratschefs erhielt Millionen-Darlehen von Versichertengeldern

Hamburg. 2003 war kein einfaches Jahr für die Securvita BKK: Die Hamburger Krankenkasse steckte tief in den roten Zahlen. So war bei der SEB Bank ein Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro aufgenommen worden. Trotzdem veranlasste der damalige Vorstand Dr. Ellis Huber ein weiteres Kreditgeschäft: und zwar mit der Securvita BKK als Kreditgeber. 2,75 Millionen Euro hat die hoch verschuldete Krankenkasse an die Securvita Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH (Securvita Konzept GmbH) insgesamt als Darlehen gewährt. Deren alleiniger Gesellschafter war und ist Thomas Martens. Und der wiederum ist gleichzeitig Verwaltungsratsvorsitzender der Securvita BKK - und damit oberster Kontrolleur des Mannes, der seiner Firma den Kredit gewährte. Und: Huber war selbst einmal Geschäftsführer jener Securvita Konzept GmbH gewesen, die nun einen Millionen-Segen erwarten durfte.

Das Geschäft wurde laut einem dem Abendblatt vorliegenden Gutachten durchgezogen - obwohl der damalige Finanzchef der Krankenkasse mehrfach schwere Bedenken geäußert hatte, weil er um die Liquidität der Krankenkasse fürchtete.

Das Geld ging in mehreren Tranchen an die Securvita Konzept GmbH. Die erste Rate über 500 000 Euro floss am 3. Januar 2003. Sechs Wochen später wurden 450 000 Euro überwiesen. Und so ging es weiter: 410 000 Euro am 17. April, 200 000 am 12. November, 970 000 am 4. Dezember und am 30. Dezember noch mal 118 173,33 Euro. Das ergibt 2 648 173,33 Euro. Unterschrieben hat die Zahlungsanweisungen immer Vorstand Ellis Huber, bei einigen Überweisungen unterschrieb auch Birgit Radow, Ex-Greenpeace-Geschäftsführerin. "Dieses Kreditgeschäft ist unzulässig." So hatte das Bundesversicherungsamt (BVA) die Transaktionen in einem Bericht beurteilt. Denn es handele sich um ein hoch riskantes Geschäft - und solche dürfen Krankenkassen nicht tätigen.

Sehr viel deutlicher werden Juristen. In dem Rechtsgutachten der Bremer Anwälte Jan van Dyk und Ralf Schäfer heißt es, dass Huber den Straftatbestand der Untreue in einem besonders schweren Fall verwirklicht habe. Er habe seine Befugnisse missbraucht, weil der BKK selbst keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung gestanden hatten. Auch Martens als Verwaltungsratsvorsitzender habe den Straftatbestand der Untreue erfüllt.

Strafrechtliche Konsequenzen wird das Kreditgeschäft allerdings für keinen der Beteiligten haben - die Tat ist länger als fünf Jahre her und damit verjährt. Ein schaler Beigeschmack bleibt dennoch.

Das Geld ist übrigens am 2. Dezember 2004 zurückgezahlt worden - nachdem mehrere Zahlungstermine verstrichen waren. Das Abendblatt hat die Securvita BKK um eine Stellungnahme zu den Kreditgeschäften gebeten - ohne eine Antwort zu erhalten.

Wie berichtet, ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Gründer und Verwaltungsratsvorsitzenden der Securvita BKK, Thomas Martens, den Vorstand Dr. Ellis Huber und zwei ehemalige Vorstände (AZ: 3302Js90/10). Das BVA hatte Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue in besonders schwerem Fall erstattet. Bei den Vorwürfen geht es unter anderem um den 20-jährigen Mietvertrag für die Securvita-Zentrale am Lübeckertordamm in St. Georg, von dem eine Martens-Firma profitiert haben soll.

Die Securvita BKK hat am Freitag erstmals auf die Vorwürfe reagiert. In einer Stellungnahme des Verwaltungsratsvorsitzenden Thomas Martens auf der Homepage der Krankenkasse heißt es, das BVA habe den strittigen Mietvertrag geprüft und nicht beanstandet. Das BVA widerspricht dem und betont, der Vertrag sei in "mehreren Punkten beanstandet" worden.

Weiter schreibt Martens, die Berichterstattung des Abendblatts sei "fehlerhaft". Allerdings nennt er keinen einzigen Fehler. So ist beim Hamburger Abendblatt auch bis Freitagabend weder eine "Aufforderung zu einer Unerlassungserklärung" noch eine Gegendarstellung eingegangen.

Die Amtszeit von Martens als Verwaltungsratsvorsitzender neigt sich indes wahrscheinlich dem Ende entgegen. Wie berichtet, hat das BVA den Verwaltungsrat aufgefordert, Martens und Vorstandschef Huber ihrer Ämter zu entheben. Bis zum 4. März muss das Gremium das BVA über seine Entscheidung unterrichtet haben. Sollte der Verwaltungsrat gegen die Amtsenthebung stimmen, will das BVA einen "Verpflichtungsbescheid" erlassen. Das heißt: Martens und Huber müssen ihrer Ämter enthoben werden. Es sei denn, dem Verwaltungsrat gelingt es, die Vorwürfe zu entkräften.