Seit drei Jahren wird das Projekt beworben: die Internationale Bauaustellung 2013. Eine Zwischenbilanz zu dem Projekt in Wilhelmsburg.

Wilhelmsburg. Quo vadis, IBA? Gut drei Jahre des Werbens, Akquirierens und Vorbereitens sind für die mittlerweile achte Internationale Bauausstellung (IBA) Deutschlands vergangen. Das große Stadtentwicklungsprojekt - und nichts anderes ist die Hamburger IBA 2013 - soll in gut zwei Jahren in Wilhelmsburg abgeschlossen sein. Kürzlich weihte Bürgermeister Christoph Ahlhaus die mittlerweile 16. Informationsstele am alten Wilhelmsburger Flakbunker, der zum Energiebunker werden soll, ein. Aber was passiert eigentlich auf der Elbinsel? Wo steht die IBA, die mit rund 100 Millionen Euro von der Stadt unterstützt wird? Und was bringt sie ganz Hamburg?

Die eigens gegründete IBA GmbH, die Wilhelmsburg, die Veddel und den Harburger Binnenhafen als Schauplätze der Bauausstellung modellieren lässt, ist voll des Lobes. Und die Zahlen klingen auch vielversprechend: Knapp 513 Millionen Euro seien bislang von privaten Investoren gesichert, was insofern wichtig ist, weil sie die ambitionierten Bauprojekte umsetzen. Im Zuge dessen sollen 1908 neue und umgebaute Wohnungen entstehen, 26 von ursprünglich 40 geplanten Projekten mit wohnlichem, bildungspolitischem oder sozialem Fokus sind auf dem Weg. Die IBA-Zielsetzung, die Elbinsel aufzuwerten und für ganz Hamburg attraktiv zu machen, ist ein international beachtetes Anliegen. Wobei die drei Hauptkriterien - kulturelle Vielfalt nutzen, Spannungsfeld Industrie-Wohnen entzerren und Klimaschutz berücksichtigen - zeigen: Die IBA 2013 will viel. Kritiker unken: zu viel.

Denn einerseits soll die IBA die strapazierte Phrase des "Sprungs über die Elbe" befördern und die bislang vernachlässigte Flussinsel städtebaulich enger an die Hamburger City rücken, wovon etwa geplante Neubauwohnungen zeugen. Andererseits sollen die jetzigen Bewohner in Sachen Bildung und Soziales nicht auf der Strecke bleiben und auch über das Jahr 2013 hinaus von der IBA profitieren, beispielsweise mit dem "Tor zur Welt", einem kulturübergreifenden Bildungszentrum.

Auf ganz Hamburg bezogen werden Zweifel am organischen Zusammenwachsen laut. So sagte etwa der Stadtsoziologe Jens Dangschat, soziale Probleme ließen sich nicht mit Architektur lösen. In einem relativ kurzen Zeitraum werde der "Scheinwerfer" auf das jahrelang stiefmütterlich behandelte, von einem hohen Migrantenanteil geprägte Wilhelmsburg geworfen. "Und mit den neuen Bauten und Konzepten können die Bewohner nicht Schritt halten." Beim "Sprung über die Elbe" sei nicht die geografische Distanz zur Innenstadt das Problem - es sind nur zwei Kilometer. Vielmehr sei es die soziale Entfernung. Hinzu komme die im Wortsinn unüberbrückbare Elbe. Denn obwohl vielfach von den Wilhelmsburgern gewünscht - sie wurden am Prozess beteiligt -, wird es nach ausgiebiger Prüfung keine neue Stromquerung geben.

Neben den ambitionierten Projekten, die definitiv kommen (siehe Auswahl), soll Wilhelmsburg im Zuge der IBA mit der östlichen Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße in den Bahnkorridor auch verkehrlich optimiert werden. Bislang spaltet die Trasse den Stadtteil. Weil die Verlegung nun teurer wird, ist der Zeitplan allerdings ungewiss. Überdies soll die "Neue Mitte Wilhelmsburg" rund um die Neuenfelder Straße zu einem echten Zentrum werden. Bisher viel Brachland, später viel Park und viel Neubau. Die Konzentration aufs Zentrum kritisieren wiederum die Wilhelmsburger, denn der Aufbruch an die Ufer der Flussinsel, etwa an den Spreehafen oder ins Reiherstiegviertel, sei damit ausgeblieben. Vorher war das ein großes Ziel der IBA.

Und doch, da sind sich Kritiker und Befürworter zur Halbzeit einig, bedeute die IBA eine große Chance für Wilhelmsburg im Besonderen und Hamburg im Allgemeinen.

1. Veringeck

26 Wohneinheiten entstehen mitten im Reiherstiegviertel - in einem integrativen Projekt mit deutschen und türkischen Senioren. Zudem soll eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft für demenzkranke muslimische Senioren entstehen, eine der ersten in Deutschland. Bei der abgestuften Pflege können Senioren samt Lebenspartner in der Wohnanlage leben und profitieren von der Betreuung im Haus. Im Erdgeschoss sind eine Tagesstätte, ein Hamamm (türkisches Dampfbad) sowie ein Café geplant. Die Kosten des gesamten Vorhabens belaufen sich auf 5,1 Millionen Euro. Einzug: im Herbst 2011.

2. Hamburger Terrassen

Am Schlöperstieg sollen ein Mehrfamilienhaus und mehrere Stadthäuser Mieter und Käufer finden. 57 Mietwohnungen und 40 bis 50 Eigentumsobjekte schweben den Planern vor. Die Anlage orientiert sich an der Hinterhofbebauung der Gründerzeit. Weil die Bauten im Gartenschau-Parkgelände entstehen, soll durch ihre terrassenartige Anordnung zu den Wasseradern der Rathauswettern hochwertige Wohnqualität kreiert werden. Das in der Nähe gelegene Wasserwerk wird ebenfalls saniert und zur Gastronomieeinrichtung. 19 Millionen Euro soll der Komplex kosten. Einzug: im Jahr 2012.

3. Energiebunker

Der 1942 erbaute Flakbunker soll zu einem Energiebunker werden. Hinter den 3,5 Meter dicken Mauern an der Neuhöfer Straße ist ein Wärmespeicher geplant, Solarzellen sollen die Fassade zieren. 3000 Haushalte könnten bald vom Mahnmal des Zweiten Weltkriegs beheizt werden. In 30 Meter Höhe soll zudem ein Café nebst Aussichtsplattform zum Hamburg-Gucken einladen. Noch stehen allerdings EU-Fördermittel zur Realisierung aus. Zum Konzept der IBA gehört auch der Energieberg Georgswerder. Die ehemalige Deponie soll Windkraft, Sonnenenergie, Biomasse und Geothermie bündeln.

4. Tor zur Welt

Der Name bezieht sich auf den Neubau eines Bildungszentrums mit Kita, Erwachsenenbildung, Schule und Beratungsstellen für den ganzen Stadtteil. Mit dem energetisch hochwertigen Bau soll vor allem die Bildungsoffensive für Wilhelmsburg vorangetrieben, ein lebenslanges Lernen aller Generationen und Konfessionen ermöglicht werden. Die Kosten für das Projekt an der Krieterstraße und am Koppelstieg, das bof-Architekten sowie Breimann & Bruun Landschaftsarchitekten entwickelt haben, sind noch unklar. In diesem Jahr soll angefangen werden, bis 2013 alles fertig sein.

5. Waterhouses

Nicht am, sondern im Wasser entstehen die Waterhouses. Im November war Start der Wohnungsvermarktung der rund acht Millionen Euro teuren Gebäude, die in einem 4000 Quadratmeter großen Becken stehen. Vier Triplexhäuser und ein "Watertower" mit insgesamt 34 Wohneinheiten sollen ab dem Frühjahr 2011 gebaut werden, die Wohnungen sollen spätestens bis 2013 fertiggestellt sein. Die Wohnungsgrößen bewegen sich zwischen 55 und 130 Quadratmetern. Der Entwurf stammt von Schenk + Waiblinger Architekten Hamburg. Die Quadratmeterpreise reichen von 2500 bis 3400 Euro.

6. Quartier am Park

Das Quartier am Park und die Entwicklung der Harburger Schlossinsel sind ein großes, zusammenhängendes Neubauprojekt mit gemischter gewerblicher und Wohn-Nutzung. Allein beim Wohnungsbauprojekt der Schlossinsel sollen 162 Wohnungen in unmittelbarer Nähe zum Wasser entstehen, hinzu sollen etwa 5000 Quadratmeter Wohnraum aus dem Quartier am Park kommen. Der Gesamtumfang der Investitionen beträgt rund 82 Millionen Euro. Das Projekt, das bis zum Jahr 2012 fertiggestellt sein soll, gruppiert sich rund um die Zitadellenstraße und erstreckt sich bis zum Binnenhafengebiet.