Entgegen ihren Ankündigungen legt die Stadtentwicklungsbehörde vorerst kein Mobilitätskonzept für den Süden vor

Wilhelmsburg. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) wird bis zur Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 20. Februar nicht - wie lange angekündigt - ein Gesamtverkehrskonzept für den Hamburger Süden vorlegen.

Das geht aus einer Email der BSU, Amt für Verkehr und Straßenwesen (Abteilung Verkehrsentwicklung), vom 13. Januar hervor, die dem Hamburger Abendblatt vorliegt. Darin heißt es: "Aufgrund der aktuellen politischen Lage ist es notwendig, vom ehemals vorgesehenen Zeitplan abzuweichen. Das Gesamtmobilitätskonzept Süderelbe wird bis auf weiteres nicht abgeschlossen. Nach der Wahl am 20. Februar und der Senatsbildung erwarten wir den Auftrag zum Abschluss in dieser Sache. Daher bitten wir um Verständnis, dass aus unserer Sicht für die von Ihnen angestrebte Beteiligung bzw. Information der Öffentlichkeit derzeit die Grundlage fehlt."

Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Bürgerschaft nun - mit den Stimmen von CDU und GAL - in ihrer Sitzung am 9. Februar grünes Licht für die Hamburger Mittel zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße in Richtung Osten auf den Bahndamm geben wird. Demnach beträgt der Hamburger Anteil für die Verlegung 10,4 Millionen Euro.

Wie berichtet, haben sich die von Hamburg zu tragenden Planungskosten von bisher 9,6 Millionen Euro um 10,3 Millionen Euro auf 19,9 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Auch die Kosten für den Bund haben sich von 67,4 Millionen Euro auf 136,3 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Das Vorgehen der BSU empört Wilhelmsburger Aktivisten wie Professor Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg. "Der Ausbau und die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße ohne vorheriges Mobilitätskonzept widerspricht den Beschlüssen der Bürgerschaft. Es darf keine Verlegung dieser autobahnähnlichen Straße ohne ein vorheriges Gesamtverkehrskonzept für den Hamburger Süden geben."

Die Bürgerschaft hatte im Sommer 2009 auf Antrag CDU und GAL (Drucksache 19/3384) einen "Masterplan Verkehr für den Hamburger Süden" als Grundlage für eine Entscheidung zur Wilhelmsburger Reichsstraße gefordert. Darin hieß es: "Hierbei kann und darf die Entwicklung der einzelnen Verkehrsströme nicht isoliert betrachtet werden, sondern ganzheitlich. In diese Betrachtung sind die Wünsche und Sorgen der Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger mit einzubeziehen. Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht, einen Masterplan 'Verkehr' für die über- und untergeordneten Straßen im Bereich des sogenannten 'Sprunggebietes' zwischen HafenCity und Harburger Binnenhafen zu entwickeln, der den besonderen Anforderungen dieses Gebietes gerecht wird."

In den Sitzungen des Stadtentwicklungsausschusses und des Haushaltsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft hatten die Behördenvertreter wiederholt zugesagt, dass ein Gesamtmobilitätskonzept für den Hamburger Süden vor einer endgültigen Entscheidung über die Wilhelmsburger Reichsstraße vorgelegt werde. In der Drucksache 19/7116 war dieses für den November 2010 angekündigt - bis zum 29. November amtierte noch BSU-Senatorin Anja Hajduk (GAL), es wurde aber bis zu ihrem Ausscheiden kein konkreter Termin für die Veröffentlichung des Mobilitätskonzeptes genannt.

In der Haushaltsausschusssitzung am 7. Januar hatten Behördenvertreter dann mitgeteilt, das Konzept sei nun fertig, liege der BSU vor, werde dort im Januar beraten und dann im Februar öffentlich gemacht. Dies hat die BSU nun wiederum revidiert.

Der Wilhelmsburger Michael Rothschuh ist darüber empört: "Die Entscheidung über einen Ausbau der Wilhelmsburger Reichsstraße in neuer Lage ist schon deshalb mit dem Gesamtmobilitätskonzept untrennbar verbunden, weil durch den Wegfall der Anschlussstelle Wilhelmsburg-Mitte in Höhe der Mengestraße und die vorgesehene neue Anschlussstelle Wilhelmsburg-Rotenhäuser Straße völlig neue Verkehrsbeziehungen entstehen, die den Stadtteil erheblich belasten, worauf der Bezirk Mitte bereits 2009 hingewiesen hat. Zudem kann der Ausbau eine erhebliche zusätzliche Belastung für den Harburger Abschnitt der B 75 bedeuten, der dann eine direkte Verbindung zwischen der Autobahn A1/A261 und der dann autobahngleichen Reichsstraße darstellen würde."

Zu den Planungskosten von 19,9 Millionen Euro kommt auf Hamburg noch der Baukostenanteil von 10,4 Millionen Euro zu. Wie kam es zu der Kostenexplosion für die Reichsstraße? Laut Drucksache steigen allein die Kosten für "Untergrund, Unterbau, Entwässerung und Bahnfolgemaßnahmen inklusive Rückbau" von 9,9 Millionen auf 25,1 Millionen Euro; jene für Brücken von 18,5 Millionen auf 34,8 Millionen Euro und jene für Lärmschutz von 9,9 Millionen auf 35,8 Millionen Euro.