Erbittert kämpfen David Erkalp und Christoph de Vries im CDU-Kreisverband Mitte um die Vorherrschaft. Macht und Entmachtung mit Tradition.

Hamburg. Der Putsch hat im CDU-Kreisverband Mitte Tradition. Am 31. Januar 2000 unterlag der damalige Kreischef und Europa-Abgeordnete Georg Jarzembowski seinem Stellvertreter Henning Tants bei der Neuwahl des Vorsitzenden. Das Pikante: Tants hatte er erst drei Tage vorher erklärt, dass er gegen den bis dahin ahnungslosen Jarzembowski antreten wolle. "Das verletzt mich, denn ich vertraue Leuten, die meine Stellvertreter sind", sagte Jarzembowski noch. Da war es zu spät. Die Mehrheit hatte sich gedreht.

Wie sich die Szenen gleichen: Im Mai des vergangenen Jahres kündigte Kreisvize David Erkalp kurz vor der Neuwahl an, dass er gegen den Kreisvorsitzenden Christoph de Vries kandidieren werde. Wieder einmal hatten sich die Mehrheitsverhältnisse gedreht. Nur dass de Vries Einsicht in das Unabänderliche zeigte und kurz vor der Wahl auf den Vorsitz verzichtete. Erkalp wurde gewählt. Eine Demütigung blieb de Vries trotz seines Verzichts nicht erspart: Bei der Wahl zu Erkalps Stellvertreter fiel de Vries einmal durch und wurde erst im zweiten Wahlgang gewählt. Vielleicht war das die Antwort darauf, dass Erkalp bei seiner Wahl 15 Gegenstimmen erhalten hatte.

Es sind Geschichten wie diese, die verständlich machen, warum es auf dem CDU-Landesparteitag am Wochenende zu einem beispiellosen Showdown zwischen den Kombattanten der CDU Mitte kam. Auf Listenplatz acht kandidierte Erkalp für die Bürgerschaftswahl. Nun war es sein alter Widersacher de Vries, der völlig überraschend gegen ihn antrat. Nachdem de Vries sich mit klarer Mehrheit durchgesetzt hatte, brachen alle Dämme in der CDU Mitte.

In der Lobby des Hotels Grand Elysée schrien sich die Vertreter beider Lager an. Viel fehlte nicht, und die Christdemokraten wären, wenig christlich, aufeinander losgegangen. Verrat von gemeinsamen Absprachen zählte noch zu den harmloseren Vorwürfen. Es geht in der CDU Mitte nicht um politische Inhalte. Es geht um Macht und Einfluss, um Posten und Pöstchen. Wer mehr Mitglieder in seinem Ortsverband hat, darf mehr Mandate beanspruchen. Wer möglichst viele Ortsverbände auf seine Seite zieht, darf die Top-Plätze beanspruchen: Kreisvorsitz, Bürgerschafts- und Bundestagsmandate.

Es ist das System des David Erkalp - eine Erfolgsgeschichte, die auch mit einem Putsch begann. Im Januar 2006 wurde der Betriebswirt und Juwelier Chef der Billstedter CDU, nachdem er für einen "Masseneintritt" von 88 aramäischen Christen - seinen Glaubensbrüdern - gesorgt hatte, die die Mehrheit des kleinen Ortsverbands kippten. Erkalp wurde immer mächtiger, an ihm führte kein Weg mehr vorbei. Seit 2008 ist er auch Bürgerschaftsabgeordneter.

Doch seine Gegner kritisieren, dass seine Forderungen immer maßloser wurden. "Du verhältst dich nicht wie ein Kreisvorsitzender. Dein Ehrgeiz steht dir im Weg", hielt der Mitte-Abgeordnete Jörg Hamann Erkalp auf dem Parteitag vor. Er soll schon mal angefragt haben, wie es mit einem Posten im Senat sei, was Erkalp bestreitet.

Den Bogen hatte der Mitte-Kreis-Chef endgültig überspannt, als es um die Aufstellung der Landesliste ging. Teilnehmer berichten, dass Erkalp nicht bereit war, von seinem Platz acht etwas nach unten zu rücken, um im Gegenzug einem weiteren Mitte-Mann einen etwas günstigeren Platz einzuräumen. "Der einzig gute Platz, der für Mitte herausgesprungen ist, ist überraschenderweise Deiner ..." heißt es in einer empörten E-Mail von de Vries an Erkalp kurz vor dem Parteitag. Der Boden für den Putsch war also bereitet.

Erfolg hatte de Vries nur, weil sich die Stimmung im Landesverband gegen Erkalp gewendet hatte. "Die Grundtendenz war: Den muss man auf den Teppich zurückholen. Deswegen war eine Gegenkandidatur nötig", sagt ein einflussreicher Christdemokrat.

"Ich muss nun in meinem Wahlkreis gegen meinen Freund Heiko Hecht antreten", sagt Erkalp bedauernd. Hecht ist einer seiner Vertrauten und Chef der Finkenwerder CDU. Auf ein Bürgerschaftsmandat verzichten mag Erkalp nicht: "Das würden meine Billstedter Mitglieder nicht verstehen."

Das System der CDU Mitte scheint sich nun gegen Erkalp zu wenden. Gestern forderte Hamann ihn zum Rücktritt vom Kreisvorsitz auf. "Es hat sich herausgestellt, dass er dem Amt nicht gewachsen ist", sagte Hamann. Vielleicht kandidiert de Vries noch einmal gegen Erkalp - diesmal um den Posten des Kreisvorsitzenden. Der Putsch hat ja Tradition in der CDU Mitte.