Der Ausschuss soll einen geordneten Prozess der weiteren Haushaltskonsolidierung überwachen. Vielleicht schafft er neues Vertrauen.

Hamburg. Zugegeben, der Ausdruck ist historisch belastet. Wohlfahrtsausschuss - da denkt man an Robespierre und die schlimmste Phase des Terrors während der Französischen Revolution. Nun leben wir glücklicherweise in friedlichen und demokratischen Zeiten, aber ernst ist die Lage schließlich auch im Rathaus, wer wollte das nach dieser Woche mit dem überraschenden Rücktritt von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) bestreiten. Und so hat nun auch Schwarz-Grün seinen Wohlfahrtsausschuss - gewissermaßen, um zu retten, was noch zu retten ist.

Natürlich ist das nicht der offizielle Name, sondern mehr Verwaltungsspott, wenn auch durchaus treffend. Offiziell gibt es diesen exklusiven Kreis nicht einmal so richtig. Er steht nicht in der Verfassung und in keinem Politik-Handbuch. Wie wichtig das Gremium ist, zeigt sich aber schon an seinen Mitgliedern: Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU), Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL), Finanzsenator Frigge (noch), Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU), die beiden Fraktionschefs Frank Schira (CDU) und Jens Kerstan (GAL) sowie Senatskanzleichef Detlef Gottschalck (CDU) und GAL-Fraktionsvizin Antje Möller.

Am Rande der Senatssitzung am Dienstag, also noch vor dem Frigge-Gau, vereinbarten CDU und GAL, diesen Ausschuss einzurichten. Seine Aufgabe: Er soll darüber wachen, dass es einen geordneten Prozess der weiteren Haushaltskonsolidierung gibt. Und geordnet heißt in diesem Fall: Schwarze und Grüne wollen vermeiden, dass einer den anderen über den Tisch zieht.

Kaum war bekannt, dass am Ende des Jahres aufgrund des Konjunkturaufschwungs vermutlich 580 Millionen Euro mehr an Steuern eingenommen werden als im Haushaltsplan veranschlagt, waren die Begehrlichkeiten geweckt. Sollte man jetzt nicht die eine oder andere Wohltat an die Bürger verteilen, nach all den Protesten gegen den harten Sparkurs des Senats? Die Versuchung ist groß.

Und die GAL war alarmiert. "Polizeiposten in den Vier- und Marschlanden bleiben reduziert erhalten", hatte die CDU-geführte Innenbehörde Ende der vergangenen Woche gemeldet. Die Außenposten im Südosten standen eigentlich auf der Streichliste des Senats. Zwar versicherte Innensenator Heino Vahldieck sogleich, dass seine Behörde ihre Sparverpflichtungen einhalten werde. Nur wie, sagte er nicht, und das weckte schon den Argwohn des Koalitionspartners. Hatte es da unbemerkt eine Nebenabsprache gegeben?

Die Einrichtung des Wohlfahrtsausschusses zeigt vor allem eines: den ernsten Willen der beiden Koalitionäre, trotz gewachsenen gegenseitigen Misstrauens zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Das kann dreierlei bedeuten: Es bleibt ohne Abstriche bei dem schwarz-grünen Sparpaket, wofür nicht allzu viel spricht. Oder es werden alle Schleusen geöffnet, wofür nichts spricht. Oder, dritte Variante, es gibt eine gezielte, aber dosierte Entlastung an der einen oder anderen Stelle. "Wenn es einen vernünftigen Entscheidungsprozess gibt, wird man sich einigen", sagt ein Oberkoalitionär.

Alle guten Absichten des krisengeschüttelten Bündnisses waren am Mittwoch plötzlich Makulatur. Das hatte es noch nicht gegeben: Ein Senator erklärt während einer Bürgerschaftsdebatte seinen Rücktritt. Zwar überwog bei den Grünen die Erleichterung darüber, dass mit Frigge einer geht, der ihnen gegenüber einen eher konfrontativen Kurs verfolgt hatte. Ganz zu schweigen von der Belastung durch das Ermittlungsverfahren, das gegen den Senator läuft. Es geht um den Verdacht der Beihilfe zur Untreue in einer Parteifinanzierungsaffäre aus dem rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf 2006.

Nein, es waren die Umstände, die dafür sorgten, dass die Demission gleich wieder zum Koalitionsfall wurde. Um 14.45 Uhr, eine Viertelstunde vor Beginn der Bürgerschaftssitzung, waren die Grünen über Frigges Abgang informiert worden. Zu spät, um noch reagieren zu können. Nicht dass die GALier Frigge vom Rücktritt hätten abhalten wollen. Ort und Zeitpunkt hielten die Grünen aber für völlig verfehlt.

Da wollte Schwarz-Grün mit der Sparpolitik in die Offensive gehen, und statt dessen gab es plötzlich nur noch ein Thema: den Rücktritt und Frigges Verstrickungen in die Mainzer und andere Affären. SPD-Fraktionschef Michael Neumann stach gleich in die Wunde, als er erklärte, nun könne man nicht mehr über den Haushalt debattieren, und das nahe Ende von Schwarz-Grün genüsslich ausbreitete. Das Bündnis war wieder einmal in der Defensive.

Die grünen Strategen fragen sich zunehmend verzweifelt, wohin die schlechte Performance der Koalition noch führen soll. Die inhaltlichen Differenzen sind das eine. Wichtiger ist, dass Abstimmung und Feinjustierung zwischen den Partnern fehlen. Dass Hamburg ein Haushaltsloch von einer halben Milliarde Euro hat, erfuhren die GALier aus den Medien, nicht von Frigge. Nur sind die Grünen auch keine Waisenkinder, wie seit dem unabgesprochenen Vorstoß von GAL-Fraktionschef Kerstan offenkundig ist, der dem Koalitionspartner indirekt ein Ultimatum zur Ablösung des skandalumwitterten HSH-Nordbank-Vorstandschefs Dirk Jens Nonnenmacher stellte.

Vielleicht schafft ja ausgerechnet der Wohlfahrtsausschuss neues Vertrauen. In der Geschichte der CDU hat der Begriff einen ganz unrühmlichen Klang. Wohlfahrtsausschuss wurde einst in der Jungen Union jener berüchtigte 17er-Kreis um den damaligen Partei- und Fraktionschef Jürgen Echternach genannt. Im 17er wurde über Jahre die CDU-Personalpolitik gemacht. Dort wurde die Bürgerschaftsliste aufgestellt, wurden Karrieren befördert, oder die Guillotine der Nichtberücksichtigung setzte dem Fortkommen von in Ungnade Gefallenen ein jähes Ende.

Ole von Beust weiß das. Ihn hätte es einmal beinahe getroffen.