“Sehr geehrter Herr Kopper, ...“ - die freundlichen Worte, mit denen die Entlassung von HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher am 19. Oktober ihren Gang nahm, deuteten die Eskalation dieser Woche in keiner Weise an.

"Überfordert" sei er und in Sachen HSH Nordbank "befangen", attackierte SPD-Fraktionschef Michael Neumann Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) in der Bürgerschaft. Die SPD habe "keine Ahnung" und könne nicht verantwortungsvoll handeln, keilte der Senator zurück. Es war ein heftiger Schlagabtausch, tumultartig, immer wieder von Zwischenrufen gestört und insofern der würdige Abschluss der Geschichte.

Die Geschichte einer Eskalation.

Dienstag, 19. Oktober. In der Senatsvorbesprechung geht es mal wieder um die HSH Nordbank. Zu den vielen Skandalen gesellt sich jetzt noch der Verdacht, die von der HSH beauftragte Sicherheitsfirma Prevent habe Politiker bespitzelt. Die schwarz-grüne Runde beauftragt den Finanzsenator, bei der HSH um Aufklärung zu bitten. Was Frigge auch tut. "Sehr geehrter Herr Kopper", schreibt er an Aufsichtsratschef Hilmar Kopper, insbesondere die Vorwürfe gegen Nonnenmacher, "in fragwürdiger Weise die Dienstleistungen eines privaten Sicherheitsunternehmens in Anspruch genommen zu haben", nehme der Senat "mit zunehmender Sorge" zur Kenntnis. Kopper möge die Vorwürfe "kurzfristig" aufklären. Der Brief bleibt zunächst geheim.

Mittwoch, 20. Oktober. Auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) schreibt einen Brief - aber an Nonnenmacher, schärfer formuliert und mit Fristsetzung. Sollten sich die Bespitzelungsvorwürfe bestätigen, "wäre dies ein inakzeptabler Vorfall". Der Vorstandschef möge die Sache bis "Freitag, Dienstschluss" erklären. Teile des Briefs kursieren kurz darauf in den Medien.

Freitag, 22. Oktober, morgens. Als erster Politiker setzt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan Nonnenmacher ein Ultimatum. "Entweder es gibt bis Dienstag ein glasklares Dementi, oder er muss gehen." Gleichzeitig wird Kritik am Finanzsenator laut, weil Hamburg im Gegensatz zu Kiel zu wenig Druck bei der HSH mache - was vor allem darauf basiert, dass Frigges Brief bis dato nicht öffentlich bekannt ist.

Freitag, 22. Oktober, abends. Nonnenmachers Antwort geht bei de Jager ein. Prevent sei "in keinerlei Weise beauftragt worden", Politiker zu überwachen, schreibt der Vorstandschef, räumt aber ein, dass Prevent "offensichtlich" eine FDP-Diskussion besucht habe. Parallel geht Koppers Schreiben bei Frigge ein. Darin: der Brief Nonnenmachers an de Jager und der Hinweis Koppers, er habe dem "nichts hinzuzufügen, außer den Ausdruck des Entsetzens, wie im öffentlichen Bereich mit Vorverurteilungen und Verdächtigungen gearbeitet wird".

Dienstag, 26. Oktober. Die weitgehend faktenfreie Antwort der HSH verärgert beide Regierungen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen nennt das Vertrauen in Nonnenmacher "erheblich strapaziert", Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (beide CDU) schließt sich an - die Trennung deutet sich an.

Freitag, 29. Oktober. Nonnenmacher schreibt an alle vier HSH-Eigner - außer Hamburg und Kiel sind das der Sparkassenverband in Schleswig-Holstein und der US-Investor J.C. Flowers - und bietet ein Gespräch an.

Montag, 1. November. Frigge und de Jager, die zum Teil mehrmals pro Tag in Sachen HSH telefonieren, verschärfen den Ton weiter. In einem Brief an Nonnenmacher bitten sie diesen um ein "klärendes, persönliches" Gespräch, um die Probleme zunächst "unter sechs Augen zu erörtern". Ferner fordern sie erstmals konkret Dokumente an, etwa: Wie lautet der Auftrag an Prevent? Wofür hat Prevent mehr als sieben Millionen Euro in Rechnung gestellt?

Dienstag, 2. November. In der Senatsvorbesprechung besteht die GAL darauf, jetzt alle Prevent-Unterlagen anzufordern. Ahlhaus schließt sich an. Noch am gleichen Tag schreibt Frigge einen weiteren Brief an Nonnenmacher und fordert bis Donnerstag, "Dienstschluss", unter anderem den Rahmenvertrag mit Prevent an und den Bericht zu der FDP-Veranstaltung.

Donnerstag, 4. November. Die HSH reicht die angeforderten Unterlagen ein - kurz nach Dienstschluss. Gleichzeitig sagt Nonnenmacher das mittlerweile für Dienstag, 9. November, 14 Uhr, in der Finanzbehörde angesetzte Gespräch mit de Jager und Frigge ab. Er wolle mit allen Eignern sprechen, "nicht vorab im kleinen Kreis". Er schlägt den 30. November vor.

Sonnabend, 6. November. Kerstan treibt den Konflikt auf die Spitze und erklärt im "Spiegel", ihm lägen zwei von Nonnenmacher unterschriebene Verträge mit Prevent vor, die dieser trotz Aufforderung nicht vorgelegt habe. Das sei ein "Täuschungsversuch", alles andere als eine Entlassung am Dienstag werde die GAL nicht akzeptieren.

Sonntag, 7. November. Die CDU fühlt sich unter Druck gesetzt. Dennoch vereinbaren Ahlhaus und Carstensen telefonisch die Trennung von Nonnenmacher.

Montag, 8. November. Ahlhaus beruft erstmals den schwarz-grünen Koalitionsausschuss ein, das oberste Streitschlichtergremium. Die CDU attackiert Kerstan für sein Vorpreschen, die GAL greift den Finanzsenator an: Wenn der, wie es aus Sicht der Grünen abgesprochen war, wirklich alle Dokumente zum Fall Prevent angefordert hätte, würde der Vorwurf der Täuschung nichts ins Leere laufen. So müsse man Nonnenmacher wohl eine Abfindung zahlen.

Dienstag, 9. November. Beide Regierungen beschließen die Trennung von Nonnenmacher, ringen aber um die Formulierung. Während Kiel sich auf eine Abfindung einstellt, lehnt Hamburg jeden Hinweis darauf ab.

Mittwoch, 10. November. Die SPD wirft dem Finanzsenator in der Bürgerschaft vor, aus seiner Zeit als Unternehmensberater mit Kopper befreundet zu sein und deshalb Nonnenmacher zu lange geschont zu haben. Das Parlament tobt. Frigge und Kerstan verteidigen das besonnene Handeln. Ende der Eskalation.