Der Druck auf den schwarz-grünen Senat wurde so stark erhört, dass er von seinen ursprünglich geplanten Sparplänen abrücken musste.

Mehr als 60 000 Unterschriften Hamburger Bürger haben in dieser Woche zumindest die vorläufige Rettung des Altonaer Museums vor der Schließung bewirkt - einerseits. Andererseits waren es die Parteibasis von CDU und GAL im Bezirk sowie unter anderem Altonaer Bürgerschaftsabgeordnete beider Parteien, die den Druck auf den schwarz-grünen Senat im Rathaus soweit erhöht haben, dass er von den ursprünglichen Sparplänen abrückte.

So gesehen ist das Ringen um die Zukunft der historischen Museen in der Stadt auch ein kleines Lehrstück für das Funktionieren der repräsentativen Demokratie, der ja von mancher Seite die Fähigkeit, die Interessen der Bürger wahrzunehmen, schon abgesprochen wurde. Der Fall hat aber auch einen erschreckenden Dilettantismus in der fachlich zuständigen Kulturbehörde offenbart. Diese Einschätzung erstreckt sich zwangsläufig auch auf Kultursenator Reinhard Stuth (CDU).

"Das Altonaer Museum wird als Teil der Zusammenführung der historischen Museen in 2011 geschlossen", verkündete der Senat sehr bestimmt am 22. September als Ergebnis seiner großen Sparklausur. Exakt fünf Wochen später, am Mittwoch, dann die Kehrtwende. "Wir haben uns darauf verständigt, dass das Altonaer Museum nicht geschlossen wird", sagte Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) im nächtlichen Nieselregen nach dem Kulturgipfel zwischen Senat und den Spitzen der großen Theater und Museen.

Selten war die Halbwertszeit politischer Entscheidungen kürzer. Ein Grund: Stuth ließ die fünf Wochen fast ungenutzt verstreichen und warb nicht mit Argumenten für die Schließungsvariante. Dabei hatte es zu Beginn der Diskussion bei CDU und GAL angesichts des unabweisbaren Spardrucks durchaus Verständnis für das Aus des Traditionshauses gegeben. Vier historische Museen und zehn Außenstellen sind vielleicht doch etwas viel in einer Stadt wie Hamburg, zumal sich die Angebote der Häuser teilweise überlappen. Und: Die Besucherzahlen in Altona sind mit 65 000 pro Jahr nicht berauschend.

Doch schnell gab es bohrende Fragen, ob die geplante Schließung überhaupt realisierbar sei. Und vor allem: Führt der Verzicht auf das Altonaer Museum wirklich zur Einsparung von 3,5 Millionen Euro, was ja der Zweck der ganzen Operation war? Als der Protest gegen die Schließung anschwoll und führende GAL-Politiker wie Parteivize Anjes Tjarks und Fraktionsvize Antje Möller Antworten von Stuth hören wollten, hatte sich der Kultursenator in die Herbstferien verabschiedet.

Da war die Frage, ob wirklich alle 70 Mitarbeiter bei einer Schließung des Haupthauses verzichtbar sind, wenn Außenstellen wie das Jenisch-Haus weiterbetrieben werden sollen. Und: Wer soll die umfangreiche Sammlung des Museums betreuen, die nach dem Willen des Senats nicht aufgegeben werden sollte? Nur der Verzicht auf das gesamte Personal würde aber den vollen Sparbeitrag garantieren. Wie steht es mit der Denkmalwürdigkeit des Gebäudes? Welche Nutzung sieht der B-Plan vor und welche Einschränkungen ergeben sich für die Nachfolgenutzung daraus? Nicht zuletzt: Welcher private Investor ist bereit, sich angesichts des immensen Umbaubedarfs dort zu engagieren?

Die Antworten blieben aus, und so drängte sich bei CDU und GAL in Bürgerschaft und Bezirk zunehmend der Eindruck auf, dass es gar kein Konzept für die historischen Museen und die Nachnutzung des Gebäudes gebe. Folgerichtig kam es Anfang der Woche zu einem gemeinsamen Antrag der CDU- und GAL-Fraktionen, in dem der Senat aufgefordert wurde, "kurzfristig ein Konzept für den Standort des Altonaer Museums und seine Außenstellen... als Bestandteil eines Gesamtkonzeptes für die Weiterentwicklung der Stiftung Historische Museen vorzulegen". Das war eine Ohrfeige für den Senat und besonders Stuth, denn ein solches Konzept hätte doch vor einer Entscheidung über die Schließung existieren müssen.

Der Antrag war eine Exit-Strategie - ein Weg aus der Schließungsfalle. Doch Stuth schien davon unbeeindruckt zu sein. Obwohl spätestens seit der Senatsvorbesprechung am Dienstag klar war, dass das Museum nicht geschlossen würde, vertrat Stuth noch am Mittwoch in der Bürgerschaft die alte Linie. Der Weiterbetrieb sei, so der Senator, "ohne Realisierungschance".

Wenige Stunden später waren Stuths Sätze Makulatur. Zugegeben: Der Mann hat das Amt am 25. August im Wissen um ein zentnerschweres Spardiktat übernommen. Nur: Stuth hat die Kürzungsvorgaben von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) danach eisern exekutieren wollen, ohne den Kulturschaffenden das Gefühl zu geben, dass er ihre Argumente ernst nimmt. So ist der Eindruck entstanden, dass ausgerechnet der Kultursenator nicht Teil der Lösung war, die gefunden wurde.

Mit dieser Lösung - die Stiftung erstellt bis zum 1. April 2011 ein Konzept für die Museen und spart bis 2014 aufwachsend 3,5 Millionen Euro ein - zeigte sich allerdings Stuth im Nachhinein plötzlich einverstanden. "Es ist doch eine gute Nachricht, dass es möglich geworden ist, die Frage des Altonaer Museums neu zu bewerten", sagte er im Abendblatt-Interview. Nur dumm, dass Stuth diese Neubewertung gerade noch ausgeschlossen hatte.