Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Parteichef Frank Schira verkünden eine inhaltliche Neujustierung der CDU. Ihr Profil soll geschärft werden.

Erfolgreiche Politik lebt von Symbolen. Die Hamburger Christdemokraten wissen um die Bedeutung dieser öffentlich gesetzten Zeichen, seit Ole von Beust die politische Bühne betrat. Als man in der CDU noch nicht ernsthaft über Schwarz-Grün diskutieren konnte und es große Berührungsängste gab, setzte sich der damalige Oppositionschef von Beust in der Bürgerschaft zu seiner Amtskollegin von der GAL, Krista Sager, um mit ihr zu plaudern. "Seht her, so einfach geht das", lautete von Beusts Botschaft damals.

Die heutige Parteispitze treiben andere Sorgen um. Das Bündnis mit den Grünen, das von Beust 2008 durchsetzte, hat die obere Funktionärsschicht offensichtlich von der Parteibasis entfernt. Die leidige Geschichte rund um die gescheiterte Primarschule ist dafür das wichtigste Stichwort. Auf den erzwungenen personellen Umbruch soll nun, so verkünden es Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Parteichef Frank Schira, die inhaltliche Neujustierung der CDU folgen.

Im Kern geht es darum, das konservative Profil der Partei nach dem Rücktritt des liberalen von Beust zu schärfen. Beim Mitgliederforum der CDU am Dienstag im Bürgerhaus Wilhelmsburg hat Schira einen ersten Testlauf dazu gestartet. "Wir müssen unser christliches Menschenbild wieder stärker diskutieren", rief der Partei- und Fraktionschef rund 200 Mitgliedern zu. "Dabei geht es zum Beispiel um Toleranz, die wir auch von anderen einfordern", ergänzte Schira und erntete dafür starken Applaus seiner Parteifreunde.

Was folgte, war eine Abrechnung mit dem, was eben noch offizielle schwarz-grüne Senatspolitik war - und eigentlich immer noch ist: die Verhandlungen mit muslimischen Gemeinden und Verbänden über eine Art Grundlagenvertrag, der kurz vor dem Abschluss steht. Doch Schira hat die Hürden nun deutlich heraufgesetzt.

"Wir erwarten, dass geklärt wird, wie die Verbände die Rolle der Frau im Islam sehen. Wie ist die Position zur Verfolgung von Christen im arabischen Raum und zur Homosexualität?", forderte der Parteichef. "Hier müssen christliche Demokraten Flagge zeigen. Das darf man ja wohl noch sagen", gab sich Schira kämpferisch. Und um auch den letzten Zweifler im Saal zu überzeugen, wies er darauf hin, dass "am Ende des Tages das Parlament über einen Vertrag zu diskutieren haben wird".

Mit anderen Worten: Die Abgeordneten entscheiden, ob es diese Vereinbarung gibt oder nicht. So viel Selbstbewusstsein der CDU-Fraktion gegenüber dem Senat war lange nicht zu spüren. Nun steht ein Vertrag mit den muslimischen Gemeinden über Rechte und Pflichten nicht wirklich im Zentrum der Rathauspolitik. Aber die harte Linie gegenüber möglicherweise integrationsunwilligen Muslimen eignet sich bestens als Symbol für ein neues konservatives Profil. Stichwort: christlich-abendländische Leitkultur.

Und: Es dient der Abnabelung vom einstigen Erfolgsgaranten Ole von Beust, der in der Union nach seinem Abgang zunehmend zur Kritik freigegeben ist. Es war von Beust, der 2006 nach einem Moscheebesuch einen solchen Vertrag mit den muslimischen Verbänden nach dem Vorbild der Staatsverträge mit den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde angeregt hatte.

Schiras Kurs kommt offensichtlich an. "Es ist notwendig, dass sich die neuen Verantwortungsträger von Ole von Beust abnabeln", sagt Horst Szychowiak, einer der Vordenker des konservativen "Alsterkreises", der sich in der CDU gegen die Primarschule gegründet hatte. Beleg für die Absetzbewegung sei Schiras Kritik an den Gesprächen mit den muslimischen Verbänden gewesen.

Szychowiak ist aber auch aufgefallen, dass sich der Parteichef vom Projekt Primarschule deutlich distanziert hat - im Nachhinein. "Er sagte, dass er sich die Reform nie persönlich zu eigen gemacht hat, sondern den Einsatz dafür lediglich als Kompromiss mit der GAL gesehen hat", so Szychowiak.

Aber der Christdemokrat fragt auch nach der Glaubwürdigkeit des Erneuerungsprozesses der CDU, wenn alle früheren Kurswechsel - hin zur Primarschule und wieder weg von ihr - jeweils einstimmig und fast ohne Debatte auf Parteitagen beschlossen wurden - und auch mit der Stimme von Schira.

Beim Mitgliederforum durften zwar kritische Fragen an die Parteispitze gestellt werden - immerhin. "Es wirkt steril und befremdlich, wenn die Fragen der Mitglieder von einem Moderator vorgelesen werden, obwohl die Mitglieder selbst im Saal sind", sagt Szychowiak. Ganz zu schweigen von Nachfragen oder kritischen Beiträgen, die gar nicht vorgesehen waren. "Am Bulettenstand war der Unmut groß, aber kein Mut da, ihn auch direkt zu äußern", beklagt ein anderes Mitglied.

Das ist das alte Leiden der Hamburger Union: aus Angst, als Nestbeschmutzer zu gelten und die eigene Karriere zu gefährden, lieber zu schweigen. Ole von Beust kannte diese Seite seiner Partei genau. "Ole von Beust hat Historisches geschafft", sagte Schira. "Er hat die Partei nicht zu sehr dominiert, aber immer wieder auf Kurs gebracht." Lange sind die Christdemokraten allerdings ganz gern und auch gut mit dem großen Vormann gefahren.

Jetzt mischt sich ein geradezu flapsiger Ton in die Abrechnung mit dem Mann, der vor Kurzem noch die unumstrittene Führungsfigur war. "Oberchef Ole, die Lichtgestalt, ist weg. Wir müssen jetzt unseren eigenen Weg finden", sagte Schira in Wilhelmsburg. Angesichts dieses Emanzipationsprozesses erscheint Schiras Willkommensgruß doch etwas voreilig. "Die neue CDU Hamburgs begrüßt Sie herzlich", hatte der Parteichef allen Ernstes gesagt. Das wird wohl noch ein bisschen dauern.