Laut einem der SPD vorliegenden Dokument soll die Bank das Sicherheitsunternehmen Prevent beauftragt haben, Politiker auszuhorchen.

Hamburg. Im Zuge der "Spitzelaffäre" bei der HSH Nordbank hat sich ein neuer, schwerwiegender Verdacht ergeben. Hat die zu 85 Prozent staatliche Bank das Sicherheitsunternehmen Prevent beauftragt, Politiker auszuhorchen oder gar zu beeinflussen? Das schließt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer aus einem ihm vorliegenden Dokument. Darin zählt Prevent Leistungen auf, die die Firma im Rahmen des Projekts "Silence" für die HSH erbracht habe. Punkt 2 lautet: "Hintergrundgespräche zum Thema bei verantwortlichen Politikern aller in den Parlamenten vertretenen Parteien."

Nicht nur Böwer fragte sich daraufhin: Warum beauftragt eine überwiegend staatliche Bank ein Sicherheitsunternehmen, Gespräche mit Politikern zu führen? Seine Vermutung: "Die wollten uns aushorchen oder manipulieren." Das habe für ihn "eine neue, beängstigende Qualität. Wir Abgeordnete sind die Vertreter der Anteilseigner, und ausgerechnet uns will eine staatliche Bank abschöpfen? Das legt die Axt an die Demokratie." In einer Kleinen Anfrage will Böwer nun vom Senat wissen, was er über den Vorgang wusste und ob er die Prevent-Berichte an die HSH anfordern werde.

Die schwarz-grüne Regierung nimmt den Vorgang offenbar ernst. Der Senat habe sich mit dem Thema beschäftigt, sagte Senatssprecher Markus Kamrad gestern. "Wir müssen aber erst den Sachverhalt erfassen." Konkret: Die HSH soll jetzt Bericht erstatten. Die Situation für den umstrittenen Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher wird dadurch sicher nicht besser. Die SPD-Fraktion hat bereits beantragt, ihn bis zur Klärung der Vorwürfe freizustellen. Die an der Regierung beteiligte GAL hatte dafür gesorgt, dass der Antrag nicht abgelehnt, sondern im Haushaltsausschuss diskutiert wird. Gestern sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan: "Das sind gravierende Vorwürfe, die im Raum stehen." Sie seien Thema in der Senatsvorbesprechung gewesen, "und werden es auch wieder sein".

Während Prevent sich unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht äußert, weist die HSH Nordbank den Verdacht, Politiker bespitzelt zu haben, zurück. Mit "Silence" sei Anfang 2009 darauf reagiert worden, dass nach dem 2,8-Milliardenverlust im Vorjahr Mitarbeiter "massiv bedroht" wurden, so Sprecher Runde Hoffmann. "In anonymen Briefen, E-Mails oder Internet-Blogs wurde zu Angriffen auf das Management und deren Angehörige sowie zu gewaltsamen Protestaktionen gegen die Bank aufgerufen. Dies reichte bis hin zu ernst zu nehmenden Bombendrohungen." Vor diesem Hintergrund habe man ein Projekt zum Personen- und Objektschutz aufgesetzt: "Silence".

Aus dem Böwer vorliegenden Prevent-Schreiben geht hervor, dass dazu aber auch "verdeckte Besuche von öffentlichen Veranstaltungen" und die "Ausweitung, Pflege und Führung des Quellennetzwerkes" gehört. Welche Art von "Quellen" angezapft wurden und welche Informationen die liefern sollten, bleibt offen. Aus Rechnungen, die dem Abendblatt vorliegen, geht hervor, dass die HSH sich allein "Silence" 357 267 Euro kosten ließ.