Unter den Mitarbeitern der Hamburger Gefängnisse wächst der Frust. Hinter den Mauern gärt es. Der Krankenstand ist alarmierend hoch.

Hamburg. Sie verrichten ihren Dienst unter Ausschluss der Öffentlichkeit und hinter dicken Mauern. Die rund 1600 Hamburger Justizvollzugsbediensteten sind wohl die unsichtbarsten unter den Hamburger Beamten. Im Stadtbild tauchen sie nicht auf, und wer länger mit ihnen zu tun hatte, will die Zeit gern vergessen. Hinter den Mauern aber gärt es offenbar: Die Fehlzeitenquote der ehemals "Schließer" genannten Beamten und Angestellten war im Jahr 2009 mit 13,8 Prozent knapp doppelt so hoch wie im Durchschnitt und die mit Abstand höchste in der gesamten Hamburger Verwaltung. In der Anstalt Billwerder liegt sie seit vielen Wochen sogar bei rund 20 Prozent.

Klaus Neuenhüsges, der Vorsitzende des Landesverbandes Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter (LVHS), schlägt Alarm: "Offensichtlich gibt es ein ernst zu nehmendes Problem. Man muss konstatieren, dass die Arbeit im Hamburger Strafvollzug, so wie er im Moment aufgestellt ist, krank macht." Zum Vergleich: Im Schnitt waren im Jahr 2009 laut Personalbericht des Senates 7,4 Prozent der in der Verwaltung beschäftigten Mitarbeiter krank. Bundesweit lag die Arbeitsunfähigkeitsquote unter den Versicherten der AOK in allen Berufsgruppen bei rund 4,8 Prozent. Das besagt eine aktuelle Studie der Kasse.

Sorge macht Neuenhüsges vor allem der seit Monaten exorbitant hohe - und bislang kaum erklärliche - Krankenstand in der baulich modernsten Hamburger Vollzugsanstalt. Neuenhüsges: "Die JVA Billwerder ist das Sorgenkind. Obwohl wir dort eigentlich die besten Arbeitsbedingungen haben, liegt die durchschnittliche Ausfallquote bei über 20 Prozent. Für die verbleibenden Mitarbeiter ist das kaum aufzufangen."

Das Frustpotenzial, so sagt der Gewerkschafts-Chef, sei durch die aktuellen Sparzwänge noch einmal massiv gestiegen: "Für die meisten Vollzugsbediensteten bedeutet die jüngst besiegelte Kürzung des Weihnachtsgeldes ein echtes Problem. Die Löhne sind ohnehin niedrig, weil ein Großteil der Beamten im Mittleren Dienst beschäftigt ist." Unter diesen Vorzeichen eine funktionierende Anstalt wie die JVA Glasmoor schließen zu wollen, sei fahrlässig, so Neuenhüsges. Hintergrund: Der offene Vollzug, bisher angesiedelt in der JVA Glasmoor in Norderstedt, soll bis zum Jahr 2014 nach Fuhlsbüttel verlegt werden. 30 bis 40 Millionen Euro wird die Neustrukturierung verschlingen. "Ein Leuchtturm-Projekt des Senators", so Neuenhüsges, für das weite Teile des JVA-Personals "kein Verständnis hat".

Neben dem Unmut über Behördenentscheidungen sei gewiss der ständige Umgang mit einer schwierigen Klientel die Hauptursache für die hohe Ausfallquote bei den Justizbediensteten - die im Jahr 2009 erstmals an der Spitze der behördlichen Hamburger Krankenstatistik stehen. Den zweiten Platz nehmen die Raum- und Hausreinigungskräfte ein (10,2 Prozent), gefolgt von den Berufsfeuerwehrleuten mit 9,6 Prozent. Polizeibeamte liegen mit 8,2 Prozent noch knapp über dem Schnitt. Am unteren Ende der Statistik liegen Lehrkräfte, Wissenschaftler und Richter sowie Staatsanwälte.

Laut Justizsprecher Volker Bulla hat die Behörde bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um dem Krankheitsproblem Herr zu werden. Bulla: "Wir durchleuchten das sehr intensiv, haben zudem schon seit Mitte 2009, als sich höhere Krankenstände abzeichneten, sogenannte Gesundheitscoaches in den Anstalten installiert. Die geben den Mitarbeitern Hinweise zu Fitness und Gesundheit. Außerdem wurde das Fortbildungs- und Betriebssportprogramm deutlich erweitert. Die Gegensteuerung hat also bereits begonnen." Die Ursachen für den Missstand seien vielschichtig, so Bulla. Unter anderem lägen sie aber gewiss in einer gewissen "Arbeitsverdichtung".

Auch Neuenhüsges glaubt, dass Stress einer der wichtigsten Faktoren für die hohen Ausfallquoten ist. Er weist auf eine seiner Meinung nach wachsende Gefahr hin: "Die Zahl der Gefangenen in den Hamburger Anstalten ist derzeit so niedrig wie lange nicht." Deshalb sei die Arbeit jetzt gerade noch zu bewältigen. "Aber was ist, wenn sich dieser Trend umdreht und wieder mehr Menschen in Haft kommen?" Bulla verweist hingegen auf statistische Werte: Es gebe Prognosen der kriminologischen Zentralstelle, laut denen nicht mit einem Anstieg zu rechnen ist.