In einem Nebengebäude der Vollzugsanstalt hat Peter Zimmermann (64) Tausende Exponate zusammengetragen. Doch die Sammlung ist bedroht.

Keine Heizung, eine blanke Holzpritsche, Blechnapf und beschmierte Wände: Gemütlich hat es der Delinquent, der in seiner blaugrauen Anstaltskleidung ein Nickerchen zu halten scheint, nicht gerade. Dafür bekommt er häufiger - und mehr - Besuch als wohl jeder gewöhnliche Häftling einer Hamburger Justizvollzugsanstalt. Der Delinquent ist eine Schaufensterpuppe und liegt auf dem Dachboden eines Verwaltungstrakts der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor in Norderstedt. Dort hat der Justizvollzugsbeamte Peter Zimmermann im Lauf von 32 Dienstjahren ein beeindruckendes, privates Gefängnismuseum mit mehreren Tausend teilweise einzigartigen Exponaten errichtet - das er Interessierten gerne präsentiert. Nach dem Willen eines Fördervereins soll die Sammlung des akribischen Pensionärs schon bald den Grundstock für ein noch größeres, dann auch öffentlich zugängliches "Museum für den Strafvollzug" im Hamburger Zentrum werden. Verhandlungen über einen möglichen Standort laufen.

Mehr als zwölf Jahre lang verbrachte Zimmermann, inzwischen 64, jede Mittagspause auf dem zugigen Dachboden des JVA-Nebengebäudes. Er sortierte und drapierte, katalogisierte und installierte. Inzwischen hat er allein 208 in Hamburger Gefängnissen sichergestellte Haschischpfeifen in seiner Sammlung - aus Plastikrohren, Nutella-Gläsern und Zahnpastatuben gebastelt. Dazu ungezählte Messer, die Häftlinge mit Zeit und erstaunlicher Kreativität in ihren Zellen hergestellt haben, eine Keule aus Plastikfolien, die am Galgen baumelnde Voodoo-Puppe eines afrikanischen Delinquenten und der einzige "Terroristenstuhl", der in Hamburg eingesetzt wurde, um hungerstreikende RAF-Mitglieder auch gegen ihren Willen zu ernähren. Neben Handschellen und Fußketten liegen Gefangenenakten aus früher Zuchthauszeit, die Rasierklingenwaffe, mit der ein Mehrfachmörder Justizbedienstete in "Santa Fu" angriff, Zwangsjacken, Bücher, das alte Harmonium, auf dem in Glasmoor zu Gottesdiensten aufgespielt wurde, und Nagelpakete, die Häftlinge schluckten, um auf die Krankenstation verlegt zu werden.

"Es wäre schade, wenn die Sammlung Zimmermann weiterhin auf einem Dachboden gelagert würde, und ein Gefängnismuseum wäre eine echte Bereicherung für Hamburg", sagt Dr. Jürgen Herzog, Leiter der Hamburger Justizvollzugsschule und Mitbegründer des Vereins Integrationshilfen. Herzog ist einer von sieben Förderern der Idee "Gefängnismuseum für Hamburg". Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hofft er, spätestens im Jahr 2012 die Stahltür zum geplanten Museum öffnen zu können. Herzog: "Was wir uns vorstellen, ist ein Gefängnismuseum, das weit mehr bietet als die klassische kleine Horrorschau. Wir wollen den Strafvollzug aus der Schmuddelecke holen und aufzeigen, wie sich dieser für die meisten Bürger unzugängliche und deshalb geheimnisumwitterte Bereich gewandelt hat - und weiter wandeln könnte." Neben Herzog und Zimmermann sind auch Dr. Karlheinz Ohle, Ex-Leiter des Jugendknastes Hahnöfersand, sowie der Verleger und Unternehmensberater Wolfgang Henkel im Verein engagiert. Henkel zum möglichen Standort eines Hamburger Gefängnismuseums: "Es gibt Überlegungen, das frühere Personalwohnungshaus der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis umzuwidmen." Ein Standort, der für Publikum gut erreichbar ist und das nötige Ambiente bietet. Zusagen gibt es aber noch nicht. Der Urplan der Museumsgründer ist leider abgelehnt worden: An der Schädlerstraße, neben dem Amtsgericht Wandsbek, verfügt die Justizbehörde über ein noch vollständiges, zum Teil eingerichtetes, aber weitgehend leer stehendes Gefängnis samt Stahltüren und kargen Zellen. Bis 2001 war hier eine Jugend-Arrestanstalt untergebracht. Seitdem steht das Haus mit den Gitterfenstern leer. Doch es ist Teil eines Gesamtbebauungsplans, kommt folglich als dauerhafter Standort nicht infrage.

Dass die Museumsplaner ihr Vorhaben ungeachtet der Standortfrage beschleunigen wollen, liegt auch daran, dass die einzigartige Sammlung des Justizbeamten Zimmermann in ihrer derzeitigen Existenz bedroht ist. Der Senat hat beschlossen, die JVA Glasmoor 2012 zu schließen. Spätestens dann müssen die mehreren Tausend Exponate aus jahrhundertelanger Knastgeschichte vom Dachboden verschwinden. Zimmermann: "Es wäre natürlich bitter, wenn die Sachen alle in Container wandern würden. Davor habe ich sie während meiner 32-jährigen Sammeltätigkeit gerettet."

Zimmermann, der zu beinahe jedem Exponat eine Geschichte kennt, hatte seine Sammlung in einer Abseite des Dachbodens begonnen, sie dann "zunächst heimlich", wie er sagt, ausgeweitet. Sollte der Plan eines öffentlichen Museums für den Strafvollzug Realität werden, würde er sich als Museumsführer anbieten: "Es macht mir Spaß, den Menschen etwas über diese Art der Subkultur zu vermitteln", sagt der Knast-Enthusiast. Was fehlt, ist ein Finanzier, eine Stiftung vielleicht, so sagen die Initiatoren, die das Vorhaben unterstützt - und die Mauern, hinter denen die Geschichte der Hamburger Gefängnisse spätestens 2012 lebendig werden kann.