Auch im Stadtteil Steilshoop herrscht nicht überall Vorfreude auf das Projekt. Und der Hochbahn-Chef sagt: “Die Menschen werden die Bahn lieben“.

Hamburg. Seinen Kampf führt Andreas Wagener seit fast zwei Jahren. "Solange ich lebe, wird es keine Stadtbahn geben", sagt der 48-jährige Reiseverkehrskaufmann aus Winterhude. Jetzt hat er mit Mitstreitern die "Bürgerinitiative gegen die Stadtbahn e. V." gegründet, mit bisher 70 Mitgliedern. Ende des Monats ist eine große Werbeveranstaltung geplant. Wagener will das "Prestigeprojekt" kippen.

Das kennt der Senat seit dem Volksentscheid gegen die Schulreform . FDP-Chef Rolf Salo ätzt bereits aus der außerparlamentarischen Opposition: Schwarz-Grün solle Politik machen, die nicht vom Volk korrigiert werden müsse. In Winterhude jedenfalls, wo ab 2012 der erste Abschnitt gebaut werden soll, halten viele das neue Verkehrsmittel für ein Ärgernis. Aber auch am anderen Ende, in Steilshoop, das von der neuen Verbindung profitieren soll, herrscht nicht überall Vorfreude.

Und da ist der Hochbahn-Chef, der sagt, die Bürger werden die Bahn lieben, wenn sie erst fahre. Autos schlängeln sich durch das Nadelöhr am Stadtpark, hier am Winterhuder Marktplatz. Protestler Wagener steht vor dem Modegeschäft seiner Freundin: "Wenn hier noch die Stadtbahn fährt, herrscht Chaos." In einem Gemüseladen wenige Meter weiter klebt ein Plakat: "Stadtbahn durch Winterhude? Nein danke!!!" "Die lange Bauphase würde meine Existenz vernichten, weil kaum noch Kunden kämen", sagt Besitzer Hans Kreuzfeld. Ein Satz, den man hier oft hört.

In vielen Geschäften liegen Unterschriftenlisten, rund 2500 Bürger haben bislang unterschrieben. 200 Meter weiter ist die Winterhuder Komödie. Kommt die Stadtbahn, wird die Fahrbahn näher ans Theater rücken. "Wir brauchen dann eine Schallisolierung, damit die Aufführungen nicht durch Autolärm gestört werden", sagt Direktor Michael Lang. "Die Kosten dafür können wir nicht selber tragen."

An der U-Bahn Kellinghusenstraße, gegenüber dem Holthusenbad, soll die vorläufige Endstation liegen. Der Plan, diese Straße für Autos zu sperren, kommt jedenfalls gut an. "Dann hört hier die Raserei auf", sagt Anwohner Karsten Müller. Allerdings, man habe doch schon die U-Bahn hier.

Ein Modell ist nur ein Abbild der Wirklichkeit. Aber Hochbahn-Chef Günter Elste will die Sache erklären und geht ans Fenster seines Büros, wo die Miniatur einer U-Bahn steht. Er zeigt auf den Abstand zwischen Türen und Rädern: Deshalb werde die Stadtbahn nicht auf U- und S-Bahn-Schienen mitfahren, weil die Haltestellen sonst ein Stück über dem Boden gebaut werden müssten. "Niedrigfluriger Einstieg, das ist politisch so gewollt."

Der 61-Jährige hat Kampferfahrung, was das Leiten von öffentlichen Unternehmen angeht. Er weiß, dass er ein loyales Werkzeug des Senats sein muss. Aber nun verschränkt er die Arme und kneift seine Augen hinter den Brillengläsern zusammen: "Die Stadtbahn als Prestigeprojekt der Grünen zu bezeichnen", sagt er, "das ist Quatsch." Früher habe er eine Renaissance der Stadtbahn ja selbst noch skeptisch gesehen. "Aber immer mehr Menschen nutzen den öffentlichen Nahverkehr." Dem Hochbahn-Chef huscht ein sattes Lächeln über die Lippen: "Die Nachfrage galoppiert nach oben, das ist positiv."

Dann legt er los, der Kaufmann Günter Elste, der sich von 337 Millionen Euro Investitionen nicht abschrecken lassen will. Zumal der Senat von üppigen Zuschüssen des Bundes ausgeht. "Rechnen Sie aus, was die Stadt in den kommenden Jahren in den Straßenbau stecken muss, da würden Sie auch einen Schreck bekommen." So müsse man auch die Stadtbahn beurteilen: als Rechnung aller Kosten für ein Netz, das eines Tages mit rund 50 Kilometern die Stadt durchziehen werde.

Unangenehm sei ihm, dass hin und wieder Passagiere an der Haltestelle stehen blieben, weil ein Bus schon voll sei. Dass sich Pulks bilden, wenn die monströsen Gelenkbusse im Fünf-Minuten-Takt fahren und doch drei gleichzeitig ankommen. Der erste ist dann voll, der zweite halb voll und der letzte leer, wie viele Hamburger wissen. Das, so muss er einräumen, kommt bisher aber nur an der Grindelallee vor und rund um den Alsenplatz in Altona-Nord. Der erste Abschnitt entsteht aber zwischen Steilshoop und Altona. "Das ist ja erst der Anfang", sagt Elste.

550.000 Euro kostet einer dieser XXL-Busse. Sie verbrauchen 75 Liter Diesel auf 100 Kilometer. "Der Zug einer Stadtbahn hält 30 Jahre, das ist nicht teurer." Und die 100 Millionen, die sein Unternehmen für den ersten Streckenabschnitt dazulegen will, würden über 30 Jahre lang abgeschrieben. Elste winkt ab: "Das beeinflusst unser jährliches Ergebnis geringfügig."

Er ist sehr stolz darauf, dass sein Transportunternehmen zu 88 Prozent kostendeckend arbeitet. Mit dieser Quote führt die Hochbahn europaweit. Und Elste rechnet damit, dass die Stadtbahn das Wachstum der Passagiere vorantreiben werde. In Straßburg etwa, das zeigten Studien, stieg die Zahl der Fahrgäste um bis zu 50 Prozent nach dem Bau der Stadtbahn. "Wenn der erste Abschnitt fertig ist, dann werden die Menschen die Stadtbahn lieben."

Liebe für die Stadtbahn ist in Steilshoop wenig spürbar. In einem Halbkreis stehen die Hochhäuser um die "Blaue Kachel", so heißt die nach Martin Luther King benannte Kirche. Im östlichen Teil des Halbkreises überspannt die Häuserwand die Straße. Drunter durch soll einmal die Stadtbahn fahren.

Alle fünf Minuten fährt ein Bus vorbei. Niemand muss mehr als 300 Meter zu einer Haltestelle laufen. Daran haben sich die Steilshooper gewöhnt. "Darin liegt das Problem", sagt Michael Möller vom Stadtteilbüro - hierher kommen die Bürger zu Sprechstunden. "Viele haben Angst um die Busse." Die Vorteile der Stadtbahn müssten besser "kommuniziert" werden, dann wäre die Stimmung auch nicht so gemischt.

Offiziell klingt das anders: Die Leiterin des Büros, Martina Stahl, glaubt nicht an mangelnde Kommunikation seitens der Hochbahn oder des Senats. "Wir werden hier gut unterstützt." Mit der Stadtbahn, so die Hoffnung, würden Menschen aus anderen Stadtteilen leichter hierherkommen. Was auch die Chance böte, Vorurteile abzulegen.

Die Entscheidung des Stadtteilbeirats im März fiel jedenfalls einstimmig: für den Bau der Stadtbahn. Die Unentschlossenheit ist aber auf der Straße zu fühlen. Die Meinungen sind geteilt. "Steilshoop ist ein bisschen wie ein eigenes Dorf", sagt Kerstin Portugall. Die 46-Jährige arbeitet in der häuslichen Pflege. "Die Stadtbahn wäre gut für unseren Stadtteil."

Auch Imke Zuther möchte die Bahn. Die 24-Jährige fährt eineinhalb Stunden zu ihrem Ausbildungsplatz, der Thalia-Buchhandlung in Osdorf. Mit der Stadtbahn ginge das schneller. "Ich glaube, für uns jüngere Leute ist die Stadtbahn gut", sagt sie. Das Zentrum der Großsiedlung ist ein Einkaufszentrum. "CCS - City Center Steilshoop" prangt über dem Eingang. Ein Eisladen verkauft zur Straße, davor sitzen Familien mit Kinderwagen. Im Erdgeschoss ist ein Juwelier. Inhaberin Sitto Destici sagt: "Bahn ist immer gut. Alle anderen Stadtteile sind gut angebunden, warum wir nicht?", fragt die 32-Jährige.

Gegenüber schüttelt Karin Stange, die 65 Jahre alte Vorbesitzerin des Ladens, den Kopf: "Wir haben doch alles, was wir brauchen. Mit der Stadtbahn würden mehr Menschen wegfahren als kommen."