Der Ordnungsdienst ist überfordert. Das Bezirksamt Mitte gesteht ein, viel zu wenig Personal für die Beseitigung des Drecks zu haben.

St. Pauli. Leere Bierdosen, Dutzende ausgetretene Kippen, zerknülltes Papier, Glasscherben, Reste eines angebissenen Burgers liegen vor seinem Hauseingang. Für Gerhard Vlach, der seit 1967 in der Seitenstraße gegenüber der berühmten Esso-Tankstelle auf dem Kiez wohnt, ist der Unrat vor seiner Tür ein alltäglicher Anblick. "Und es wird immer schlimmer", sagt er.

Der Stadtteil vermüllt. Denn nicht nur auf der Reeperbahn, auf der sich am Wochenende Tausende Partygänger tummeln, auch in den Nebenstraßen ist der Dreck ein Problem. Die Anwohner und der St. Pauli Bürgerverein fordern nun, dass das Personal des Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) aufgestockt wird und Müllsünder, die auf frischer Tat ertappt werden, sofort zur Kasse gebeten werden. "Menschen, die ihren Müll auf die Straße werfen, sollten mindestens 15 Euro Bußgeld zahlen", sagt Ralph Lindenau, Präsident des Bürgervereins. "Wenn es freiwillig nicht funktioniert, dass Menschen ihren Abfall in Mülleimer schmeißen, brauchen wir stärkere Kontrollen. Sonst lernen sie es nicht." Zudem sollten auch Gastronomen eine Strafe zahlen müssen, wenn sie vor ihren Läden keine Ordnung hielten. "Ich kehre ja auch den Schnee vor meiner Haustür", sagt Lindenau, der selbst 25 Jahre in St. Pauli gelebt hat.

Die Mitarbeiter des BOD gingen auf dem Kiez zwar schon häufiger auf Streife als in anderen Stadtteilen. "Aber das reicht nicht", sagt der 45-jährige Bürgervereinspräsident. Diese Meinung teilt auch das Bezirksamt Mitte. "Der BOD ist schlecht aufgestellt", sagt Bezirksamtssprecher Lars Schmidt. "Wir bräuchten mindestens 100 Mitarbeiter, um die Vermüllung und die anderen Ordnungswidrigkeiten in den Griff zu bekommen. Wir haben aber nur 24 Leute." Davon seien allein zehn Mitarbeiter ausschließlich dafür abgestellt, sich um die Einhaltung des Hundegesetzes in ganz Hamburg zu kümmern. Durch den Nachtdienst am Freitag und Sonnabend, den es nur im Bezirk Mitte gibt und bei dem mindestens ein Dreier-Team von 22.30 bis 6 Uhr morgens auf dem Kiez auf Streife sei, fielen zudem diese Arbeitsstunden in der Woche weg. "Noch enger wird es mit dem Personal, wenn es auch noch Großveranstaltungen gibt", sagt Lars Schmidt.

Darüber hinaus ist die Ahndung der Verschmutzung des öffentlichen Raums nicht die einzige Aufgabe der BOD-Beamten, die vor allem am Wochenende alle Hände voll zu tun haben. "Auf dem Kiez müssen sie unter anderem dafür sorgen, dass sich die Menschen an das Flaschenverbot halten." Wer dagegen verstößt, werde aufgefordert, die Flasche zu leeren und zu entsorgen. "Wer sich weigert, muss ein Ordnungsgeld zahlen", sagt Schmidt. Das beginne bei 30 Euro.

Ähnlich handeln die BOD-Mitarbeiter bei Müllsündern. Wer erwischt wird, muss seinen Abfall wieder aufheben und in einen Mülleimer werfen. "Es bleibt also zunächst bei einer Verwarnung." Je später der Abend sei, desto weniger Einsicht zeigten jedoch viele Kiezbesucher. Es käme durchaus vor, dass sie es ablehnten, ihren Dreck aufzuheben und im schlimmsten Fall auch noch anfingen, die Beamten zu beleidigen. "In diesem Fall wird ein Ordnungsgeld verhängt", sagt der Bezirksamtssprecher. So müssen manche für einen achtlos in die Ecke geschmissenen Pappbecher schon mal 30 Euro oder mehr zahlen. "Das Problem ist, dass die Vermüllung schwer zu ahnden ist, da die Täter auf frischer Tat ertappt werden müssen." Häufiger gelingt das beim Wildurinieren - einer Ordnungswidrigkeit, bei der die Beamten kein Pardon kennen. Wer sich öffentlich erleichtert, wird sofort zur Kasse gebeten und muss 35 Euro zahlen.

Dass sofort ein Bußgeld verhängt wird, wünscht sich Ralph Lindenau auch bei den Müllsündern. "Wir müssen rechtzeitig gegen eine Verwilderung gegensteuern", sagt er. Es sei eben ein grundsätzliches Problem, dass viele Menschen keinen Respekt mehr vor Dingen, Plätzen und ihren Mitmenschen hätten. "Es herrscht eine vollkommene Gleichgültigkeit." Es sei traurig, dass einige Leute zu faul seien, die zwei Meter zum Mülleimer zu gehen und ihren Abfall einfach auf die Straße würfen. "St. Pauli ist ein Touristenmagnet. Die verschmutzte Reeperbahn ist jedoch kein gutes Image für den Stadtteil", sagt Lindenau. Der Dreck schrecke die Gäste ab.

Das kann St.-Pauli-Bewohner Gerhard Vlach bestätigen. "Wenn mich Freunde und Bekannte besuchen, fragen sie mich immer kopfschüttelnd, wie ich hier nur wohnen kann", sagt er. Beim Anblick der schmutzigen Straßen könnten sie nur die Nase rümpfen. Vor allem am frühen Morgen, wenn die Kehrmaschine noch nicht da gewesen sei, sei es schlimm mit dem Müll. "Dazu kommen auch noch die ganzen Tauben, die von dem Dreck angezogen werden", sagt Vlach. Ja, der Kiez sei seine Heimat, sagt er. "Aber wenn ich im Lotto gewinne, ziehe ich hier sofort weg." In eine Straße, die sauber ist.