Ob Luxusbau oder familiengerechtes Stadthaus - lange vor dem Richtfest sind viele Immobilien bereits vermietet oder verkauft.

Hamburg. Wo die Chemnitzstraße in Altona in die Holstenstraße mündet, erinnert noch eine riesige Wandmalerei an die eher beschaulichen, alternativ geprägten Jahre dort: Um politisch korrekten Nicaragua-Kaffee geht es dort auf dem Bild, um Solidarität der Völker und die richtige Lebenseinstellung. Das Bild soll zwar bleiben, aber es wird bald hinter einem Anbau verschwinden. Davor schieben sich bereits Bagger durch eine riesige Kuhle, die demnächst Tiefgarage werden soll. Rund 115 neue Wohnungen werden hier auf dem Gelände einer alten Schule gebaut, als Eigentum oder zur Miete.

Ein Projekt von vielen, die derzeit in Baulücken, auf Wiesen oder ehemaligen Gewerbeflächen mitten in Hamburg entstehen. Und für das es offenbar eine außerordentlich hohe Nachfrage gibt: 80 Prozent der Eigentumswohnungen des Investors Wulff Hanseatische Bauträger GmbH sind bereits verkauft, viele Wohnungen vermietet, hieß es gestern während einer Besichtigungstour des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) zu verschiedenen Baustellen in der Stadt. Überall zeigt sich ein ähnliches Bild: Ob Luxusbau, familiengerechtes Stadthaus, Eigentumswohnung oder Mietwohnung - lange vor dem Richtfest ist vieles bereits vermietet oder verkauft. In letzter Zeit greifen häufig Anleger zu, die nach der Finanzkrise eine sichere Anlage suchen, wie der BFW sagt.

"Wir haben in Hamburg eindeutig einen Trend zurück in die Stadt - das belegt diese enorme Nachfrage", sagt der BFW-Landesvorsitzende Andreas Ibel. Gut ablesbar sei diese Entwicklung beispielsweise auch beim Bau von Luxuseinheiten: Etwa 450 solcher "hochpreisiger" Bauten seien derzeit in Hamburg auf dem Markt: so an der Elbchaussee von der Grundstücksgesellschaft Manke GmbH oder auch im Marco-Polo-Tower in der HafenCity , im Kristall-Turm am Holzhafen oder beim Projekt Sophienterrassen in Harvestehude. 5000 bis knapp 7000 Euro pro Quadratmeter kosten beispielsweise Wohnungen an der Elbchaussee, bis zu 15.000 Euro im Marco-Polo-Tower.

Dabei lag die Obergrenze in Hamburg noch vor kurzer Zeit bei 8000 Euro. "Solche Preise werden jetzt gezahlt, weil es die Nachfrage dafür gibt. Dagegen fallen für die großen Villen im Umland oft die Werte", sagt Andreas Ibel. Das zeige, dass es auch in diesem Markt den Trend in die Stadt gebe - genauso wie beim Bau familiengerechter Wohnungen.

Und da erlebe beispielsweise Lokstedt gerade einen Boom. Über 900 unterschiedliche Wohnungen werden dort von Mitgliedern des Immobilienverbandes gebaut - mehr als im viel zitierten Gebiet der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Wilhelmsburg. Die Lage in Lokstedt mit seiner guten Infrastruktur sei einfach besser nachgefragt. Und es gebe weiterhin eine große Nachfrage, so BFW-Vorsitzender Ibel.

Wie auch diverse Mietervereine kritisiere der BFW daher, dass derzeit in Hamburg zu wenige Wohnungen gebaut werden können. Ibel: "Es liegt nicht an der Nachfrage, es liegt nicht an der Finanzierung, es liegt einzig daran, dass zu wenig Grundstücke in Hamburg rechtzeitig zum Bauen zur Verfügung stehen." Seine Forderung an den Senat daher: Die Stadt müsse viel mehr für Gewerbe ausgewiesene Flächen zu Wohnbauflächen umwidmen, da es einfach mehr Bedarf für Wohnungen als für Büros gebe. Auch die langen Genehmigungswege in Hamburg seien oft ein Hindernis. Ibel: "Wenn wir dürften, könnten unsere Mitgliedsunternehmen noch viel mehr bauen als bisher."