Jann Meyer-Abich geht nach mehr als zehn Jahren als Rechnungshof-Präsident in den Ruhestand. Der 65-Jährige hat in Hamburg viel bewegt.

Hamburg. Sein schönstes Abschiedsgeschenk trägt das kryptische Kürzel Drs. 20/108 und besteht aus ein paar Seiten Papier. Mit dieser Drucksache wird die Hamburgische Bürgerschaft im Mai die Verfassung der Hansestadt ändern und das Schuldenmachen ab 2020 verbieten. Jann Meyer-Abich räumt ein, dass ihn gerührt habe, was er da nun endlich Schwarz auf Weiß vorliegen hat. Denn der Präsident des Landesrechnungshofs sieht damit nicht nur seine wichtigste Forderung erfüllt. SPD, GAL und FDP leiten ihren Antrag sogar mit einem Zitat von ihm ein - eine Verneigung vor dem Rechnungshofpräsidenten.

Wenn der 65-Jährige am Donnerstag von Senat und Bürgerschaft im Rathaus verabschiedet wird, kann er seine Mission also als erfüllt betrachten. Denn die "Ungerechtigkeit", wie er sagt, dass die Politik seit Jahrzehnten auf Kosten künftiger Generationen gewirtschaftet hat, hat ihn mehr umgetrieben als alles andere. Dass die Stadt die Ersatzbeschaffung eines Feuerwehrautos oder die Ausbesserung einer Straße bewusst fälschlicherweise als "Investitionen" deklariert hat, nur um dafür Kredite aufnehmen zu können, hat ihn fürchterlich geärgert. Denn die Werte, die dafür offiziell geschaffen wurden, die sind alle weg, die Straßen sind schon wieder kaputt, die Autos längst verschrottet. Nur die Schulden, die sind noch da. 25 Milliarden Euro, Tendenz weiter steigend.

+++ Der Neue ist ein Beust-Vertrauter +++

Wer wie Jann Meyer-Abich fast 20 Jahre gegen diese Verschuldungsmühle gekämpft hat, empfindet naturgemäß eine gewisse Befriedigung, dass die Räder der Mühle langsam zum Stillstand kommen. Der wichtigste Erfolg des Rechnungshofs sei aus seiner Sicht, "dass wir dazu beigetragen haben, diese Ungerechtigkeit transparent zu machen und ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit zu bringen".

Dabei war ihm diese Aufgabe keineswegs in die Wiege gelegt worden. Geboren in Hamburg, verbrachte er einen Großteil seiner Kindheit in El Salvador. Sein Vater, ein früherer Marineoffizier, baute in dem mittelamerikanischen Land ein Geologisches Institut auf. Das Weltenbummler-Gen erbte auch Jann Meyer-Abich. Zurück in Hamburg studierte er Jura, ging als Wissenschaftlicher Assistent an die Uni Köln, promovierte über das Thema "Eigentum, Leistung, Freiheit", trat während der sozialliberalen Koalition der FDP bei, verließ sie aber wieder, als diese sich in den 80ern zur reinen Mittelstands- und Steuersenkungspartei wandelte, ging wieder zurück nach Hamburg und arbeitete als Richter am Verwaltungsgericht, für die Justizbehörde und für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse der Bürgerschaft.

"Ich habe immer nach drei, vier Jahren etwas Neues gemacht", erinnert er sich. Bis 1993 der Ruf an den Rechnungshof kam. Dort blieb er 19 Jahre, davon mehr als zehn als Präsident - länger als jeder andere Amtsinhaber. Er sei dann wohl doch noch "angekommen".

Angekommen auch bei seinem Thema: Nachhaltigkeit. Nachhaltiger Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, nachhaltiges Verwaltungshandeln. Der Politik einmal im Jahr eine dicke Schwarte mit einer Liste ihrer Fehler vorzulegen - die vermeintliche Hauptaufgabe des Rechnungshofs - war ihm zu wenig. "Der Rechnungshof ist nicht nur dazu da, die reine Ordnungsmäßigkeit zu prüfen", sagt Meyer-Abich. "Mein Leitbild ist, dass wir die Verwaltung verbessern wollen."

Der Rechnungshof, der keiner Behörde untersteht und unabhängig entscheiden kann, was seine 130 Mitarbeiter untersuchen, geht daher seit einigen Jahren stärker zu begleitenden Prüfungen über. Er legte "Beratende Äußerungen" zum Haushalt vor, eine Anleitung für "Kostenstabiles Bauen" und "Ergebnisberichte", was seine Prüfungen gebracht haben. Meyer-Abich äußerte sich zwar selten öffentlich, dann aber sehr deutlich. "Politischen Blindflug" warf er CDU und GAL vor, als sie 2010 den Bau einer Stadtbahn und eine Schulreform auf den Weg bringen wollten, ohne zu wissen, was das kosten wird. Auch dem aktuellen SPD-Senat schrieb er erst kürzlich ins Stammbuch, dass die Sparanstrengungen deutlich intensiviert werden müssten. Insgesamt sei der Haushalt bei Bürgermeister Olaf Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher (beide SPD) aber in ganz guten Händen. "Ich habe den Eindruck, dass sie das Ziel der Haushaltskonsolidierung ernst nehmen."

Als Beleg dienen ihm zwei weitere kleine "Abschiedsgeschenke". Jahrelang hatte der Rechnungshof alle Senate aufgefordert, den kostenpflichtigen Parkraum stärker zu überwachen sowie kleine Wohnstraßen "fertigzustellen" und die Anliegergebühren einzutreiben. Beides hat der Scholz-Senat jetzt beschlossen - zur Freude von Jann Meyer-Abich. "Viele Anlieger nehmen diese Straßen seit Jahren umsonst in Anspruch, obwohl in Bundes- und Landesgesetzen klar geregelt ist, dass 90 Prozent der Kosten für die Erschließung der Anlieger zu tragen hat."

Ihn selbst tangiert das Thema übrigens nur am Rande. Auf einen Dienstwagen, der ihm zusteht, hat Meyer-Abich immer verzichtet. "Das spart rund 50 000 Euro im Jahr", rechnet er vor. Stattdessen fährt er die zwölf Kilometer vom Wohnort Nienstedten mit dem Fahrrad zum Sitz des Rechnungshofs am Gänsemarkt. Es gehe zwar auch um Sparsamkeit, aber wenn er ehrlich sei, stehe die Lebensqualität im Vordergrund: "Das Radfahren tut mir gut."

Statt des Rades stehen jetzt aber erstmals die Wanderschuhe im Fokus. Mit Ehefrau Karen will Meyer-Abich einen Teil des Jakobswegs in Frankreich zurücklegen. Auch der Familie mit den zwei Söhnen und den Enkeln möchte er mehr Zeit widmen. Allerdings ahnt er, dass die Aufgaben nicht leichter werden. "Mein dreijähriger Enkel spielt mit mir gern Räuber und Pferd. Was glauben Sie, wer das Pferd ist?"