Die Kinderbetreuung kostet eine halbe Milliarde Euro. Präsident Meyer-Abich vermisst eine Qualitätskontrolle auch bei den Privatschulen.

Hamburg. Im letzten Jahresbericht vor seiner Pensionierung ist Rechnungshof-Präsident Jann Meyer-Abich sehr grundsätzlich geworden. Der Behördenchef und seine Kollegen haben den Landeshaushalt auf das Prinzip der Nachhaltigkeit hin durchforstet und an vielen Stellen Mängel festgestellt.

"Gut gemeint reicht nicht. Guter Wille ohne gute Umsetzung ist eher schädlich. Er steht in der Gefahr, Symbolpolitik zu betreiben und öffentliche Mittel unwirtschaftlich auszugeben", schrieb Meyer-Abich dem SPD-Senat ins Stammbuch.

"Entscheidend für die Nachhaltigkeit sind Wirkung und Qualität der durchgeführten Maßnahmen", sagte der Rechnungshof-Präsident. Wenn sich zum Beispiel die Ausgaben des Sozialetats in der Behandlung von Symptomen ohne wirkliche Veränderung erschöpften, werde weder die Selbstverantwortung des Einzelnen noch seine Integration in das Gemeinwesen gestärkt. Soweit die Theorie, doch dann wurde es sehr konkret.

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Der Rechnungshof-Präsident wies darauf hin, dass die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung vor allem als Folge des massiven Anstiegs betreuter Kinder um 50 Prozent auf 500 Millionen Euro jährlich geklettert seien. "Dennoch fehlt es nach wie vor an der notwendigen und gesetzlich vorgesehenen Überprüfung der Betreuungsqualität", sagte Meyer-Abich. Es gebe weder eine Kita-Inspektion noch eine landesweite Qualitätsberichtserstattung.

Auch bei den Privatschulen fehle es an einer systematischen Bewertung ihrer Leistungsfähigkeit und der Qualität des Unterrichts. Die Schulen in freier Trägerschaft werden zu rund 85 Prozent der Schülerjahreskosten an staatlichen Schulen aus dem Landeshaushalt finanziert. Allerdings: Gäbe es keine Privatschulen, müssten die Schülerkosten zu 100 Prozent aus dem Landesetat bestritten werden.

Der Rechnungshof kritisiert, dass es "nur in Einzelfällen" zu Verbesserungen der Lage von Zuwanderern gekommen sei. "Eine ausreichende Datengrundlage fehlt, ein wirksames Controlling ist nicht möglich", heißt es zum Integrationskonzept des Senats. Die Arbeitslosenquote von Ausländern sei im Vergleich zu der der Deutschen nicht gesenkt worden.

Auch beim Klimaschutz vermisst der Rechnungshof konkrete Nachweise für die gewünschte Senkung der CO2-Emissionen. "Erfolgskontrollen sind so schwierig, dass ein Gutachter von 388 Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts nur 62 in seine konkrete Überprüfung einbeziehen konnte", sagte Meyer-Abich. Leider sei das Ergebnis gewesen, dass nur wenig CO2 eingespart wurde.

Nachhaltiges Wirtschaften vermisst der Rechnungshof in großem Ausmaß beim Umgang mit öffentlichen Gebäuden, Brücken und anderen Bauwerken. "Umfangreiche Prüfungen haben unseren Verdacht bestätigt, dass die Vernachlässigung von Unterhaltungsmaßnahmen ein flächendeckend anzutreffender Misstand ist", sagte Meyer-Abich. Der Rechnungshof beziffert den Sanierungsstau in Hoch- und Tiefbau auf 4,7 Milliarden Euro. Darauf hatte Meyer-Abich bereits im Dezember hingewiesen. Die Folgen seien dramatisch: Allein für die Unterhaltung der Bauten müsse die Stadt jährlich 300 Millionen Euro zusätzlich ausgeben.

Meyer-Abich erneuerte auch seine Kritik an der Finanzpolitik. Zwar seien die "Wegweiser" - ausgeglichener Haushalt bis spätestens 2020, jährliche Steigerungsraten der Gesamtausgaben unter einem Prozent - vom Senat richtig aufgestellt. Aber: "Wo wirklich gespart werden soll, bleibt offen." Dass der Senat jährlich 250 Stellen abbauen will, hält Meyer-Abich für nicht ausreichend, zumal im vergangenen Jahr erst einmal 600 Stellen dazugekommen sind - vor allem an den Schulen.

Während der Senat von einer Steigerung der Personalkosten aufgrund von Inflation und Lohnzuwächsen um jährlich 1,36 Prozent ausgeht, ist der Rechnungshof mit der Annahme von 2,1 Prozent skeptischer. "Die Differenz macht allein ein Einsparvolumen von 700 Stellen aus", sagte Meyer-Abich. "Das möchte ich erst einmal sehen, dass dann 700 Stellen eingespart werden."

Schließlich rügt der Rechnungshof, dass mehr als 100 betriebliche Steuerprüfer fehlen, weil die Stellen im Innendienst zur Steuerveranlagung genutzt werden. "Der Rechnungshof gibt uns in der Tendenz recht", sagte Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn. "Wir haben gerade die Einstellung von 150 Betriebsprüfern beantragt." Fünf zusätzliche Stellen, wie von der SPD vorgesehen, seien "lächerlich".

Der CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze sagte, eine nachhaltige Haushaltspolitik des Senats sei nicht zu erkennen. "Bewusst nachhaltig ist der Senat nur bei seinen Haushaltstricks." So habe der Senat statt der Ist-Zahlen die Planzahlen des schwarz-grünen Haushaltsentwurfs 2011 zur Grundlage gemacht. Dadurch entstünden Spielräume für Ausgaben in Höhe von 432 Millionen Euro. "Der Senat muss endlich detaillierte und massive Sparvorschläge machen, damit sich die Situation nicht noch verschlimmert", sagte FDP-Fraktionschefin Katja Suding.

"Die SPD-Finanzplanung ist ohne nachhaltige Perspektive", kritisierte auch die GAL-Politikerin Anja Hajduk. "Der Rechnungshof-Bericht bestärkt uns in unserem Vorhaben, den Haushalt konsequent und nachhaltig zu konsolidieren", sagte Jan Quast (SPD).