Jugendamtsleiterin Pia Wolters musste nach dem Drogentod des Mädchens Chantal gehen. Es gibt noch keinen Nachfolger für Markus Schreiber.

Hamburg. Mehr als zwei Monate nach der Absetzung der Jugendamtsleiterin des Bezirksamts Mitte ist immer noch kein Nachfolger im Amt. "Die Stelle ist noch nicht besetzt", lautet die Senatsantwort auf eine Anfrage des FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Robert Bläsing. Und das bei einem Posten, der über Hamburg hinaus für großes Aufsehen gesorgt hat. Die elfjährige Chantal aus Wilhelmsburg starb im Verantwortungsbereich der früheren Jugendamtschefin Pia Wolters an einer Methadon-Vergiftung. Ihr Nachfolger ist zwar in Sicht, doch die Verhandlungen sind ins Stocken geraten. Es geht um seine Bezahlung.

"Bald zehn Wochen ist es her, dass die während des Todes von Chantal verantwortliche Jugendamtsleiterin ihren Posten räumen musste. Trotzdem sagt der Senat, dass die Nachfolge auf dieser wichtigen Position immer noch nicht geregelt ist", kritisiert Bläsing. "Und das, obwohl schon Anfang März ein Kandidat aus Bremen dafür halb offiziell genannt worden ist."

+++ Pia Wolters wechselt in die Bildungsbehörde +++

Bei dem Kandidaten handelt es sich um Peter Marquard, Leiter des Amts für soziale Dienste in Bremen. Das Problem: Der Posten der Jugendamtsleitung wird mit der Besoldungsgruppe A15, also maximal 5261,56 Euro im Monat vergütet. Marquard steht die Besoldungsstufe B2 zu. Das sind rund 900 Euro monatlich mehr. Mehr verdienen würde fast nur noch der Bezirksamtsleiter. Der bekommt B4, also rund 6852 Euro im Monat.

Wer die Differenz zwischen den Besoldungsstufen A15 und B2 übernimmt, das ist derzeit völlig unklar. Das Bezirksamt Mitte, welches ebenfalls noch ohne Leitung dasteht, hat im Budget lediglich A15 zur Verfügung. Nach Abendblatt-Informationen gibt es deshalb Gespräche mit dem Senat darüber, dass dieser die Differenz übernimmt. Ohnehin wird in den Bezirken weniger bezahlt als in den Fachbehörden. Es ist auch die Rede davon, dass Bremen einspringen könnte. Schließlich fällt dort die Stelle von Marquard durch die Umstrukturierung weg. Er müsste innerhalb der Behörden einen adäquaten Job annehmen. Von einem Wechsel nach Hamburg würde Bremen daher finanziell profitieren.

+++ Fall Chantal: Schreiber stellt Jugendamtschefin frei +++

Der Kontakt zu Peter Marquard war über seinen Parteifreund, Sozialstaatsrat Jan Pörksen (SPD), zustande gekommen. Beide kennen sich aus der Zeit, als Pörksen Hauhaltsdirektor in Bremen war. Doch weder die Sozialbehörde noch die Senatskanzlei wollen sich zu der Personalie äußern.

Stattdessen wird auf das Bezirksamt Mitte verwiesen, das formal für das Einstellen von Personal zuständig sei. Lars Schmidt-von Koss, Sprecher des Bezirksamts, sagt dazu: "Es gibt Verhandlungen mit unserer Personalabteilung, aber noch ist nichts entschieden."

Dabei scheint es an der Befähigung Marquards keine Zweifel zu geben. Die Fraktionen in der Bezirksversammlung haben auf eine Ausschreibung des Jugendamtsleiterpostens verzichtet, nachdem sich der Bremer Beamte sowohl im Haupt- als auch im Jugendhilfeausschuss vorgestellt hatte. "Wir brauchen den Mann und erwarten, dass das Problem schnell gelöst wird", sagt Falko Droßmann, SPD-Fraktionschef im Bezirk Mitte.

Eine schnelle Lösung hat auch Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Mitte-GAL, erwartet. Er kritisiert, dass sich die Entscheidung schon so lange hinzieht. "Marquard ist der richtige Mann. Für das Jugendamt ist es wichtig, dass die Leitungsposition schnell nachbesetzt wird." Geld dürfe bei diesem wichtigen Posten nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass für die Aufarbeitung des Falls Chantal ein Sonderausschuss eingerichtet wird. Nach Abendblatt-Informationen haben sich die Fraktionen von SPD, CDU und GAL bereits entsprechend erklärt. Das wird wohl auch die FDP tun. Sie hatte sich bislang, wie auch die Linke, für die Einrichtung einer Enquetekommission ausgesprochen, also ein Gremium, das sich mehrheitlich aus Experten und weniger aus Abgeordneten zusammensetzt. Eine Sonderkommission besteht aus Abgeordneten, deren Verteilung die Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft widerspiegelt.

Unabhängig davon laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft weiter. Sie richten sich gegen die Pflegeeltern des Mädchens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Im Fokus stehen auch Verantwortliche des Jugendamts Mitte sowie des freien Trägers. Gegen sie besteht der Verdacht der Verletzung der Fürsorgepflicht.