Senator zieht Konsequenzen aus Todesfall Chantal. Vorermittlungen gegen Jugendamt

Hamburg. Nie wieder soll ein Kind in Hamburg rauschgiftsüchtigen Pflegeeltern anvertraut werden: Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat aus dem Fall der elfjährigen Chantal aus Wilhelmsburg, die an einer Methadon-Vergiftung starb, erste Konsequenzen gezogen. Von sofort an müssen angehende Pflegeeltern neben einem Führungszeugnis auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen, das einen Drogentest beinhaltet. Auch alle anderen Familienmitglieder sind, soweit sie zum Haushalt gehören, künftig zur Vorlage eines Gesundheitszeugnisses verpflichtet. "Mit diesen Maßnahmen möchte ich sicherstellen, dass sich der Tod eines Kindes in einer Hamburger Pflegefamilie nicht wiederholt", sagte Scheele.

Unterdessen schloss der Chef des zuständigen Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber, einen Rücktritt nicht mehr aus. Die Staatsanwaltschaft bestätigte Vorermittlungen im Jugendamt.

Die verpflichtenden Drogentests bei neuen Pflegeeltern sollen die Gesundheitsämter der Stadt durchführen. Die Kosten dafür übernimmt die Sozialbehörde. Überdies wurden die Mitarbeiter der Bezirke aufgefordert, die Akten aller 1300 Hamburger Pflegefamilien bis zum 15. Februar auf Drogenhinweise zu prüfen. Behördensprecherin Nicole Serocka sagte: "Bei Zweifeln oder offenen Fragen können die Mitarbeiter Hausbesuche abstatten." Bei bereits bestehenden Pflegeverhältnissen sei ein verpflichtender Drogentest rechtlich nicht möglich. "Man kann dort nicht mit neuen Auflagen eingreifen", sagte sie dem Abendblatt. Das gehe nur, wenn es Hinweise darauf gebe, dass das Kindeswohl gefährdet sei. Zudem wolle man Pflegefamilien nicht unter einen Generalverdacht stellen.

Strengere Regeln gelten künftig auch bei den Führungszeugnissen. Aufgeführt werden müssen dort alle bekannten Straftaten, nicht nur einschlägige Delikte wie etwa Kindesmissbrauch oder Gewalt gegen Kinder. Jeder Eintrag in ein Führungszeugnis ist laut Sozialbehörde somit künftig ein Ausschlusskriterium für Pflegeeltern.

Bei den Ermittlungen im Fall Chantal erwägt die Staatsanwaltschaft jetzt auch rechtliche Schritte gegen das Jugendamt und den vom Bezirk Mitte beauftragten freien Träger VSE. "Wir führen Vorermittlungen durch, um zu prüfen, ob genügend Erkenntnisse für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegen", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Senator Scheele hatte bereits angekündigt, dass die Innenrevision der Bezirksaufsicht den Fall Chantal aufrollen solle. Offenbar hatte kein Betreuer Verdacht geschöpft, obwohl es deutliche Indizien für eine Verwahrlosung gegeben haben soll.

Bezirksamtschef Schreiber sagte am Abend vor dem Jugendhilfe-Ausschuss, er werde selbstverständlich Konsequenzen ziehen, sollte sich herausstellen, dass ihn eine persönliche Schuld treffe. "Ich habe keine Pattex-Mentalität." Allerdings könne es kein Bezirksamtschef leisten, dass alle Vorgänge des Jugendamtes über seinen Schreibtisch laufen. "Da muss man sich auf Mitarbeiter verlassen können."

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion forderte, Schreiber umgehend von den Untersuchungen zu entbinden. Es müsse ein unabhängiger Sonderermittler der Sozialbehörde eingesetzt werden.