Laut dem SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher muss die Hansestadt Kostensteigerungen wie bisher vermeiden.

Hamburg. Es ist ein vergleichsweise leiser Vorschlag der Opposition, dennoch erwischt er die CDU auf einer schwachen Flanke. Bekannt ist, dass im Hamburger Haushalt jährlich zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro fehlen. In zwei Wochen will die schwarz-grüne Regierung daher Sparpläne vorlegen. Hatten die Christdemokraten bisher für sich beansprucht, mit spitzem Bleistift rechnen zu können, bekommen sie nun eine Nachhilfestunde von der SPD, der sie sich kaum entziehen können.

+++ Steuerschätzung: Der Hansestadt geht das Geld aus +++

Während der zurückgetretene Finanzsenator Michael Freytag (CDU) noch immer beteuert, die desolate Kassenlage sei durch krisenbedingte Steuerausfälle begründet, leitete sein Nachfolger Carsten Frigge (CDU) bereits eine Wende ein: Zur Rettung des Haushalts müssten die laufenden Ausgaben gesenkt werden. Und das könnte Frigge leichter fallen als seinem Vorgänger, der als Landeschef auch auf seine Popularität in der gesamten Partei achten musste. Ein "Nein" zu einem Senator, der Mittel für seine Behörde verlangt und zugleich Parteifreund ist, dürfte ihm schwerer gefallen sein.

Die Sozialdemokraten jedenfalls sehen sich in jahrelanger Kritik bestätigt. "Der Senat wäre schon vor einem Jahr bankrott gewesen, wenn die Finanzkrise das nicht verschleiert hätte", sagte SPD-Fraktionschef Michael Neumann dem Abendblatt. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) habe sich der Verschleppung einer Insolvenz schuldig gemacht. Fakt ist: Die schwarz-grüne Koalition hat beschlossen, dass die jährlichen laufenden Kosten bis 2012 um mehr als eine Milliarde Euro ansteigen. Das entspricht 3,3 Milliarden Mehrausgaben seit Antritt der Regierung 2008. Ex-Finanzsenator Michael Freytag agierte demnach relativ großzügig.

Nach Ansicht des SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher müsse Hamburg genau hier ansetzen und könne bis 2013 rund drei Milliarden Euro sparen, und zwar "ohne Personalbbau im großen Stil". Dafür müssten die laufenden Ausgaben gar nicht gesenkt werden. "Die wesentliche Aufgabe besteht darin, den jährlichen Anstieg zu begrenzen." Im Detail sieht das so aus: Die laufenden Kosten - von der Straßenbeleuchtung bis zu Erziehungshilfen für Problemfamilien - stieg unter Schwarz-Grün bisher um acht Prozent. Würde dieser Anstieg begrenzt, und zwar auf einen Anteil unter der aktuellen Inflationsrate von etwa einem Prozent, dann würde der Betriebshaushalt jährlich um nur 60 Millionen wachsen. "Das vom Senat berechnete Defizit könnte somit bis 2013 um drei Milliarden reduziert werden, und ab 2014 können Überschüsse zur Schuldentilgung entstehen", sagt Finanzexperte Tschentscher. Voraussetzung dafür wäre: Finanzsenator Carsten Frigge müsste die Kasse unerbittlich geschlossen halten.

Die Sozialdemokraten betonen gerne, dass sie in rot-grünen Regierungszeiten, 1997 bis 2001, diese Begrenzung erreicht hätten. "Die GAL müsste also eigentlich wissen, wie das geht", stichelt Tschentscher. "Allerdings wäre das Regieren dann unbequemer." Zumal grüne Projekte auch auf das Wohlwollen des Kassenwartes angewiesen sind.

Ein Indiz dafür, dass die Behörden bisher "aus dem Vollen schöpfen" konnten, sei laut SPD bereits die Anmietung von rund 100 000 Quadratmetern neuer Behördenflächen. "Jede Um- oder Neuorganisation geht mit neuen Personalstellen einher", kritisierte Tschentscher: Mit der Einrichtung des "Sondervermögens Schulbau", das auch "Schattenhaushalt" für die geplante Investitionen in Schulgebäude genannt wird, wurden 40 neue Stellen geschaffen, so Tschentscher.

Die Notwendigkeit, in die Bildung der Kinder zu investieren, wolle zwar niemand bestreiten. "Aber die Behörden müssen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, um wichtige Aufgaben mit vorhandenen Kapazitäten zu bewältigen." Im Zweifel seien dann eben weniger wichtige Projekte zurückzustellen, fordert Tschentscher. Allein in den vergangenen zwei Jahren seien 20 Millionen Euro für Gutachten und Beratungen zu Projekten ausgegeben worden, "von denen das Parlament nie etwas gehört hat".

Weiterer Punkt: eine nach Ansicht der SPD undurchsichtige Buchführung. Auch das ist heikel für die CDU. War es doch Bürgermeister Ole von Beust, der kürzlich Tricksereien mit "kreativer Buchführung" kritisierte. Zwar haben ihm die ehemaligen Finanzsenatoren Michael Freytag und Wolfgang Peiner widersprochen, dennoch: Auch hier kann sich die SPD die Hände reiben.

SPD-Finanzexperte Tschentscher nennt gerne ein Beispiel: Der Senat bezahlt 8,5 Millionen Euro für eine Werbekampagne zum Thema "Umwelthauptstadt". Sieben Millionen davon stammen aus dem Topf der Wohnungsbaukreditanstalt, die in diesem Jahr aufgrund sinkender Zinsen rund 17 Millionen Euro gespart hat. "Eigentlich ein Grund zur Freude", sagt Tschentscher. "Wie will Hamburg seinen Haushalt in den Griff bekommen, wenn solche Mittel sofort wieder ausgegeben werden?"

Weiterer Vorschlag: der Verzicht auf "Luxusinvestitionen". Hamburg brauche keine unterirdischen Schießstände für die Polizei und müsse auch keine neue Stadtentwicklungsbehörde in Wilhelmsburg bauen. Allein für letztere Maßnahme sei so viel Geld zu sparen, "dass wir davon eineinhalb Jahre lang Schulgebäude sanieren könnten", sagt Tschentscher. Ganz zu schweigen von der Elbphilharmonie, deren Baustopp die SPD jedoch nicht fordert.

Um die öffentlichen Einnahmen zu erhöhen, haben die Sozialdemokraten ohnehin einen Ansatz, der hinlänglich bekannt ist: die Einführung einer Vermögenssteuer, was jährlich bis zu 500 Millionen Euro in die Kassen spülen könnte. Allerdings läuft die Tendenz in Berlin ohnehin in die andere Richtung. SPD-Politiker Tschentscher geht davon aus, dass allein die von der schwarz-gelben Bundestagskoalition im Dezember beschlossenen Steuersenkungen das Bundesland Hamburg bis 2014 rund 600 Millionen Euro kosten werden.