Die FDP wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, “verfassungswidrige Propaganda mit staatlichen Geldern“ zu betreiben.

Hamburg. Um die geplante Informationskampagne des Senats für die Primarschulreform ist ein politischer Streit entbrannt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, "verfassungswidrige Propaganda mit staatlichen Geldern" zu betreiben. Darum geht es: Der Senat will 200.000 Euro für eine Kampagne ausgeben, mit der vor dem Volksentscheid am 18. Juli für die sechsjährige Primarschule geworben werden soll. Per Ausschreibung wird eine Agentur gesucht, die ein Konzept entwickelt und konkrete Projekte umsetzt.

"Die Verfassung verbietet nach dem Sinn und Zweck einer fairen Wahl bzw. Abstimmung, dass Senat oder Bürgerschaft mit einem Propaganda-Etat in die Willensbildung der Bürger vor dem Entscheid eingreifen", sagte Müller-Sönksen dem Abendblatt. Der Senat habe grundsätzlich das Recht zu einer Öffentlichkeitsarbeit, das aber nicht gegen Sinn und Zweck eines laufenden Volksgesetzgebungsverfahrens missbraucht werden dürfe. Mit anderen Worten: Nach dem Volksentscheid spricht aus Müller-Sönksens Sicht nichts gegen eine Info-Kampagne des Senats.

Ähnlich argumentiert auch Walter Scheuerl von der Volksinitiative "Wir wollen lernen", die die Primarschule mit dem Volksentscheid verhindern will. "Als Verwaltungsbehörde ist die Schulbehörde streng zur Neutralität und nicht den parteipolitischen Zielen ihrer GAL-Senatorin verpflichtet", sagte Scheuerl. Ganz anders sieht der Senat die Sache. Im Text der Ausschreibung, der dem Abendblatt vorliegt, heißt es ausdrücklich: "Im Vorfeld eines Volksentscheides gibt es für Behörden keine Neutralitätspflicht wie bei Wahlen." Allerdings gelte weiterhin ein "Sachlichkeitsgebot". Nach Abendblatt-Informationen begründet der Senat seine Rechtsauffassung mit einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 19. Januar 1994.

Die Richter hielten es damals geradezu für notwendig, dass das Volk von allen Seiten informiert und mit den jeweils zu einem Volksentscheid vertretenen Auffassungen konfrontiert wird. Das Gericht verglich die Volksabstimmung, bei der das Volk als Gesetzgeber fungiert, mit Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers, der sich auch auf eine möglichst breite Kenntnis stützen müsse. Ausdrücklich hatte der Verfassungsgerichtshof eine Neutralitätspflicht des Staates, wie sie bei Wahlen gelte, verneint.

Bemerkenswert ist, dass die Schulbehörde in der Ausschreibung selbstkritisch "Kommunikationsdefizite" in der bisherigen Debatte einräumt. "Viele Bürgerinnen und Bürger sind wenig oder falsch informiert über die Schulreform", schreibt die Behörde (siehe auch Text unten). Die Reichweite der gewählten Kommunikationsmedien - gemeint ist das Info-Angebot der Behörde im Internet - sei nicht ausreichend gewesen. Außerdem hätte Uninformiertheit vor allem bei Eltern zu Ängsten geführt, denen nicht genug begegnet worden sei. Die Behörde wünscht sich eine Überprüfung der "inhaltlichen Zuspitzung". Die Kampagne solle "zunächst informativ und dann emotionalisierend" sein. "Wir halten es - vorsichtig formuliert - für bedenklich, dass Schulsenatorin Goetsch Steuermittel in dieser Größenordnung für eine Emotionalisierungs-Kampagne ausschreibt", sagte Initiativensprecher Scheuerl.