Schwere Vorwürfe gegen die HSH Nordbank. Auch CDU und GAL erwarten heute eine Erklärung von Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher.

Hamburg. Der vorläufige Höhepunkt im Parlamentarischen Untersuchungssausschuss (PUA) zur HSH Nordbank sollte es ohnehin sein. Doch nachdem der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate die Verantwortlichen des Geldinstituts nun auch noch wegen vorsätzlicher Bilanzfälschung angezeigt hat, hat der heutige Auftritt von HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher eine ganz neue Brisanz.

Sogar die schwarz-grüne Koalition verlangt eine Erklärung. "Die Vorwürfe zu Bilanzmanipulationen müssen aufgeklärt werden", fordert Andreas Waldowsky, Obmann der GAL im PUA. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was Nonnenmacher dazu sagen kann. Ohne eine entlastende Stellungnahme bekäme die HSH-Affäre eine ganz neue Dimension." CDU-Obmann Thilo Kleibauer kündigte gestern an: "Wir werden uns des Vorgangs annehmen und sicher Unterlagen anfordern." Es sei "sehr interessant", wie die Banken Ende 2007 auf die schlechteren Rahmenbedingungen reagiert hätten.

Darum geht es: Strate zufolge hat die HSH gemeinsam mit der Hypo Real Estate - die 2009 wegen immenser Probleme verstaatlicht wurde - Ende 2007 unter dem Codenamen "St Pancras" ein gemeinsames Geschäft eingefädelt, um das Verhältnis zwischen Eigenkapital und eingegangenen Risiken zu glätten. Dazu sollen beide Banken zunächst jeweils Immobilienkredite im Wert von 3,8 Milliarden Dollar in die Zweckgesellschaften "SPV 1" und "SPV 2" ausgelagert haben. Dafür erhielten HSH und HRE je drei Milliarden Dollar zurück - damit hatten die Banken scheinbar Risiken gegen Bares getauscht und dabei je 800 Millionen Dollar Abschlag in Kauf genommen. Doch es ging noch weiter: Da die SPVs kein eigenes Geld hatten, "verkauften" sie die als Wertpapiere gebündelten Kredite an eine dritte Zweckgesellschaft "SPV 3" - und die erhielt die sechs Milliarden Dollar zu 99 Prozent von HSH und HRE. "Ein reines Kreislaufgeschäft", notiert Strate in seiner Anzeige, die dem Abendblatt vorliegt. Um SPV 3 als formell unabhängig erscheinen zu lassen, so der Anwalt, habe sich zudem der US-Hedgefonds Dynamic Credit Partners mit sechs Millionen Dollar an der Zweckgesellschaft beteiligt. Die erhielt er - plus 30 Prozent Zinsen - bereits Mitte April 2008 zurück. Danach sei das ganze Geschäft beendet worden.

Strates Fazit: "Es besteht der Verdacht eines gravierenden Falles der Bilanzfälschung." Denn die Bankenaufsicht BaFin untersage Geschäfte, die von vornherein darauf angelegt seien, nur für wenige Monate die Bilanz zu schönen. Dass das bei dem von allen Vorständen beider Banken abgezeichneten Geschäft der Fall war, belegten interne E-Mails, die der Anwalt der Staatsanwaltschaft überreichte.

Beide Banken wiesen die Vorwürfe nahezu wortgleich zurück: "Der Vorwurf der Bilanzfälschung ist absurd", teilte die HSH Nordbank mit. Solche Entlastungstransaktionen seien üblich und zulässig gewesen. Seit der Änderung der Spielregeln für Banken ("Basel II") Anfang 2008 würden sie aber nicht mehr durchgeführt. Die geforderte Mindestkapitalquote hätte die HSH im Übrigen auch ohne das Geschäft - das beide Banken nicht abstreiten - "deutlich überschritten". Wie die HRE betonte auch die HSH, dass die Wirtschaftsprüfer das Zahlenwerk für 2007 uneingeschränkt abgesegnet hätten. Nach Abendblatt-Informationen hatten sich die HSH-Prüfer von der Firma BDO den "St Pancras"-Deal durchaus angesehen und waren zu der Einschätzung gekommen, "dass der Transaktion hinsichtlich ihrer grundsatzentlastenden Wirkung" nichts entgegenstehe, auch keine Regel der BaFin. Strate vermutet allerdings, dass "auch die Abschlussprüfer der HSH getäuscht worden seien".

Der Hamburger Anwalt hatte Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer der HSH bereits im Frühjahr 2009 wegen Untreue angezeigt - damals war gerade bekannt geworden, dass die Bank für 2008 einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro zu verkraften hat. Die Haupteigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein mussten sie daraufhin mit drei Milliarden Euro in bar und zehn Milliarden Euro an Garantien am Leben halten.

Angesichts dieser Dimension forderte die designierte Bundesvorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, bessere Kontrollen: "Wir brauchen eine stärkere Bankenaufsicht", sagte sie dem Abendblatt. "Die Aufsichtsräte allein reichen für eine effektive Kontrolle längst nicht mehr aus, wie man am Beispiel der HSH Nordbank erkennt."