Die Universität Hamburg will die ehemalige Vertretungsprofessorin Angelika Fournés nicht weiter beschäftigen.

Hamburg. Seminarhefte sind beliebt bei Studierenden. Sie bündeln wichtige Texte und sind recht praktisch, weil man nicht selber am Kopierer stehen muss. Im Büro von Angelika Fournés liegen vieler solcher Hefte zum Abholen bereit. Ihr Stapel wirkt wie eine Schutzmauer in einer feindlichen Umgebung. Und tatsächlich: Kürzlich standen zwei kräftige Männer vor der Tür, "wie Meister Proper", sagt die Dozentin. Sie sollten im Auftrag der Uni-Leitung ihr Zimmer ausräumen und ihre Kopierkarte einziehen, denn so viel steht fest: Die Universität will die habilitierte Erziehungswissenschaftlerin und ehemalige Vertretungsprofessorin nicht weiter beschäftigen. Eine freie Professur soll anderweitig besetzt werden. Ihre Studierenden protestierten - und auch 55 Examenskandidaten, die derzeit von der Dozentin geprüft werden. Angelika Fournés hat gegen die Uni geklagt, heute wird ihr Fall vor dem Arbeitsgericht verhandelt.

"Als Vertretung war ich für das Dekanat offenbar gut genug. Aber jetzt soll ich um jeden Preis mein Zimmer räumen, obwohl meine Studierenden mich brauchen", sagt die Autorin mehrerer Bücher. Mit Kettenverträgen sei sie immer wieder vertröstet worden. "Man hat mir immer wieder gesagt, es wird schon werden." Im Frühjahr 2007 trat Fournés eine viermonatige Vertretungsprofessur an, für Sachunterricht und seine Didaktik. Zuvor hatte sie als Externe an der Uni Hamburg habilitiert (Thema: "Die pluralistische Dimension der Kinderphilosophie"). Es folgten zwei unbezahlte Monate, dann eine Stelle als "Tutorin", obwohl sie mehrere Seminare leitete (Gehalt: 981 Euro). Dann weitere Monate als Vertretungsprofessorin, bis Ende September vergangenen Jahres: Seitdem wird die 53-Jährige von der Uni nicht mehr bezahlt. Dennoch hat die Fachbereichsleitung ihr genehmigt, zwei Seminare und ein Examenskolloquium zu halten. Kostenlos.

Der Anwalt der Dozentin sagt: "Die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses ist rechtswidrig." Und: "Es ist schon ungewöhnlich, wie hier mit aller Macht versucht wird, Frau Fournés loszuwerden, obwohl diese zu allen Kompromissen bereit ist." Grundsätzlich gilt: Ein Arbeitsverhältnis darf innerhalb der ersten zwei Jahre ohne Grund befristet werden, darüber hinaus wird es komplizierter.

Ganz ungewöhnlich ist der Fall dennoch nicht, wie in Unikreisen freimütig erzählt wird. Privatdozenten müssen eine Veranstaltung pro Semester anbieten, um ihre Lehrberechtigung zu halten. Dies werde nicht selten kostenlos verlangt, da der Dozent somit seinen "Kontakt zur Uni" halte. Wie es scheint, hat Fournés in den Augen der Uni-Leitung mit drei Veranstaltungen im Semester aber etwas zu engen Kontakt gehalten. Ihre Studierenden schreiben jedenfalls: "Aufgrund des vielseitigen und gesellschaftlich relevanten Lehrangebots und der intensiven Betreuung der Studierenden ist sie für den Fachbereich und die Universität unentbehrlich geworden." Die Prüfungsberechtigung soll ihr nun entzogen werden. Sicher ist: Die ist der Anker, der sie an der Uni hält.

Karl Dieter Schuck, Dekan des Fachbereichs für Erziehungswissenschaften, äußert Verständnis, aber nur für die betroffenen Studierenden. "Frau Fournés hat großen Anklang gefunden. Ich verstehe, dass viele nun bei ihr geprüft werden wollen." Allerdings sei rechtzeitig darauf hingewiesen worden, dass Anmeldungen zur Prüfung mit der Vertretungsprofessur enden. Insgesamt handele es sich um einen "ganz normalen Fall einer befristeten Vertretung". Vielleicht habe der Fachbereich in den vergangenen Jahren sogar zu sehr im Interesse der Dozentin gehandelt. "Wir haben uns sehr stark dafür gemacht, Frau Fournés immer wieder eine Beschäftigung zu bieten", sagt der Dekan. Angelika Fournés jedenfalls will nicht aufgeben. An ihre Bürotür hat sie ein handgeschriebenes Schild mit ihrem Titel "Dr. habil" geklebt - das offizielle wurde bereits abgerissen.