Angehörige der Neonazi-Szene sollen sich Zutritt zum Büro des verstorbenen Rechtsanwalts Jürgen Rieger verschafft haben.

Hamburg. Aktivisten der rechten Szene sollen Teile des Nachlasses von Rechtsanwalt Jürgen Rieger aus dessen Büro entwendet und an sich genommen haben. Wie "NDR Info" berichtet, handelt es sich bei den angeblich verschwundenen Akten um Unterlagen der 2001 von Rieger in London gegründeten "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd.".

Diese Akten könnten für die NPD, deren Vize-Chef Rieger bis zu seinem Tod war, von immenser finanzieller Bedeutung sein. Im Namen der Stiftung hatte Rieger zahlreiche Gebäude erworben, in denen er Neonazi-Schulungszentren etablieren wollte. Die dortigen Eigentumsverhältnisse gelten zum Teil als unklar. Der bekennende Neonazi und NPD-Finanzier Rieger war Ende Oktober an den Folgen eines Schlaganfalls in Berlin gestorben. Sein offenbar beträchtliches Vermögen hatte er nach unbestätigten Informationen komplett seinen Kindern vermacht - die die politische Richtung ihres Vaters nie geteilt hatten. Die Partei, die finanziell immer wieder von Rieger unterstützt worden war, ging demnach leer aus. Nach NDR-Informationen haben sich "Szeneaktivisten" nach Riegers Tod Zugang zu dessen Blankeneser Anwaltskanzlei verschafft und "Schlüsseldokumente für die weiteren juristischen Auseinandersetzungen" um die Immobilien verschafft. Diese Unterlagen befänden sich jetzt im "Einflussbereich der rechtsextremistischen Szene".

Staatsanwaltschaft und Polizei haben noch keine Ermittlungen aufgenommen. "Bei uns liegt dazu nichts vor", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Polizeisprecherin Karina Sadowsky bestätigt, dass ein solcher Vorfall bislang nicht angezeigt wurde. Die Akten sollen unter anderem deshalb so wichtig sein, weil Rieger keinen formalen Vertreter für die Leitung der "Wilhelm Tietjen Stiftung" eingesetzt hatte. Die Stiftung verwaltete das Vermögen eines Bremer Alt-Nazis. Zu den Immobilien, die mit den Millionen aus der Stiftung finanziert worden sein sollen, gehören der Heisenhof im Kreis Verden, ein Hof im thüringischen Pößneck und das Hotel Landhaus Gerhus in Faßberg (Kreis Celle), das im Dezember versteigert wird. Ob die NPD dort dann mitbieten kann, könnte davon abhängen, wie Rieger die Finanzen der Stiftung geregelt hat. Rieger soll von zahlreichen Nazi-Größen als Verwalter des Erbes für Partei und Szene eingesetzt worden sein.

Ein für kommenden Sonnabend in Wunsiedel (Bayern) geplanter Rieger-Gedenkmarsch der NPD ist vom dortigen Landratsamt verboten worden. Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass bei dem Umzug wohl nicht nur das Gedenken an den NPD-Funktionär im Mittelpunkt stehen werde, sondern vor allem das an den in Wunsiedel begrabenen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß.