Nach dem Schlaganfall-Tod des rechtsextremen Anwalts erwarten Verfassungsschützer einen Machtkampf im rechten Spektrum.

Mit dem Tod des Hamburger Rechtsanwalts und NPD-Vizechefs Jürgen Rieger verliert die rechtsextremistische Szene nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ihren "Leuchtturm und maßgeblichen Finanzier". Hamburgs Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck sieht den Tod Riegers als "eine deutliche Schwächung des Rechtsextremismus". Niemand aus diesem Spektrum sei in der Lage, Riegers Rolle, vor allem beim Erwerb von Immobilien, einzunehmen. Der bekennende Neonazi war am Donnerstag an den Folgen eines Schlaganfalls in Berlin gestorben. Die Familie Riegers, die dessen politische Einstellung nicht teilt, hat sich entschieden, eine Seebestattung durchzuführen, um zu vermeiden, dass in Blankenese mit dem Grab Riegers eine Pilgerstätte entsteht.

"Er konnte durch sein Vermögen ungehemmt Hass schüren", sagt Sebastian Brux von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Opfer rechtsradikaler Gewalt betreut. Mehrere rechtskräftige Verurteilungen, unter anderem wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und Vortäuschen von Straftaten, hatten den Ruf Riegers in der rechten Szene eher gefestigt. Der NPD-Experte Toralf Staud sagt, Rieger sei vor allem als Bindeglied zwischen der NPD, den militanten Kameradschaften, dem NS-Nostalgikerflügel und dem esoterisch-germanischen Flügel gewesen. Ein neuer Machtkampf in der NPD sei sehr wahrscheinlich, so Staud. Professor Hajo Funke, Experte für Rechtsextremismus an der FU Berlin, erkennt eine deutliche Schwächung der Immobilien-Strategie der NPD. "Rieger war entscheidender Akteur beim Zugriff auf Gebäude, um sogenannte Schulungszentren aufzubauen, die eine erhebliche Rolle für die regionale Ausstrahlung der Rechtsextremisten spielen", sagte Funke dem Abendblatt. Zu beobachten sei, dass im Umfeld der Zentren regelmäßig rechtsextreme Läden und Vereine entständen, was den Rechtsextremismus tiefer verwurzele. "Der braune Sumpf wird aber bleiben."

Schlagzeilen machte Rieger vor allem durch immer neue Versuche, Immobilien zu kaufen - er hatte der NPD versprochen, ein Schulungszentrum einzurichten, was sich aber als schwierig herausstellte. Nach Ansicht des niedersächsischen Verfassungsschutzchefs Jürgen Heiß wollte er seinen guten Ruf in der Szene nicht riskieren. "Er steht unter Druck und will bei den Extremisten punkten", sagte Heiß dem Abendblatt im Sommer. In Dörverden kaufte er eine alte Bundeswehr-Liegenschaft, Kreis und Gemeinde haben es aber durch Baurecht geschafft, eine Nutzung zu verhindern. Das gilt auch für ein ehemaliges Kino in Hameln. In Delmenhorst trieb der Anwalt den Preis für ein Hotel in die Höhe, letztlich kaufte die Stadt. Und in Faßberg im Kreis Celle wird am 16. Dezember der Versteigerungstermin für ein Hotel jetzt ohne Rieger stattfinden. Faßbergs Bürgermeister Hans-Werner Schlitte: "Die Nachricht vom Tod Riegers ist in Faßberg mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen worden." Offen ist, was aus dem Pachtvertrag wird, den Rieger für das Hotel abgeschlossen hatte. Die gilt auch für den Mietvertrag für ein Ladenlokal in Wolfsburg.

Noch unbeantwortet ist die Frage, was aus dem Millionenvermögen Riegers wird. Verfassungsschützer verweisen darauf, dass die Regelung des Erbes dauern wird. Dies gilt vor allem für die millionenschwere Londoner "Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation" (Befruchtung) - eine Kapitalgesellschaft, in der Rieger Gesellschafter und Geschäftsführer war. Seine Kinder als mögliche Haupterben haben die extremistischen Positionen des Vaters nie vertreten. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sie die ohnehin angeschlagene NPD mit möglichen Darlehens-Rückforderungen in eine finanziell schwierige Lage bringen könnten. Rieger stellte der Partei rund 700 000 Euro zur Verfügung.

In pathetischen Worten nahm NPD-Chef Udo Voigt auf der Internetseite der Partei Abschied von Rieger: "Niemand wird wissen, ob er noch die Worte vernommen hat, die ich ihm zum Abschied unter Tränen sagte: 'Lieber Jürgen, kämpf! Sei versichert, dass der Kampf um unser Deutschland weitergeführt wird!'" Die Familie trauert auf der "Heimseite" Riegers: "Er war mutig. Er hat sich nicht geschont."