Der Tod des NPD-Vizechefs aus Blankenese stürzt die Partei noch tiefer in die Krise. Fordern die Söhne Geld zurück?

Hamburg. Der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger, der in der vergangenen Woche an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben war, wird der NPD offenbar kein Erbe vermachen. Nach Informationen des Radiosenders NDR Info ist ein Testament aufgetaucht, in dem Rieger erklärt, dass allein seine Familie begünstigt wird. Rieger hinterlässt ein beträchtliches Vermögen, hat seiner Partei in den zurückliegenden Monaten immer wieder mit Spenden und Darlehen ausgeholfen. Unklar ist bisher, ob die Söhne des Blankeneser Anwalts und stellvertretenden NPD-Bundeschefs diese Darlehen zurückfordern werden. Die finanziell angeschlagene NPD befindet sich - so oder so - in einer schweren Krise.

Die Kinder, so heißt es laut NDR Info in dem Testament, sollten allein über die Hinterlassenschaft bestimmen. Da die Familie die rechtsextremen und offen rassistischen Einstellungen Jürgen Riegers nie teilte, gilt es als nahezu ausgeschlossen, dass die Partei des Vaters berücksichtigt wird. Eher im Gegenteil: Rund 700 000 Euro, so heißt es, soll Rieger der affärengebeutelten NPD für Wahlkämpfe und zur Begleichung aufgelaufener Schulden überlassen haben - Geld, das die Kinder des Darlehensgebers einfordern könnten. Unklar ist, was mit den zahlreichen Immobilien und Grundstücken Riegers passieren wird. Im Namen und mit Mitteln der nach einem verstorbenen Gesinnungsgenossen benannten "Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation" hatte Rieger immer wieder Grundstücke erworben. Unter anderem in Verden, dem thüringischen Pößneck und in Fassberg (Kreis Celle) versuchte er, auf dem jeweiligen Besitz Schulungszentren für Neonazi-Nachwuchs aufzubauen. Da Rieger offenbar keinen Bevollmächtigten für die in London registrierte Stiftung hat eintragen lassen, ist völlig unklar, wie es mit den Immobilien weitergeht. Der Verfassungsschutz, nach dessen Erkenntnissen Rieger ein "unbelehrbarer und unverbesserlicher Rassist" war, sieht die Gefahr, dass ein rechtsextremes Veranstaltungs- oder Schulungszentrum in Norddeutschland entsteht, für "nahezu gebannt".

Nachdem die Familie Riegers angekündigt hatte, dass der Verstorbene feuer- oder seebestattet werden soll, damit in Hamburg kein Wallfahrtsort für Rechtsextremisten entsteht, wollen die NPDler und ihr Umfeld nun am 14. November im bayerischen Wunsiedel einen Gedenkmarsch durchführen. Auf der Internetseite kondolieren zahlreiche "Weggefährten", teils in martialischem Ton: "Er stand für die Wiederaufrichtung einer im Nationalsozialismus geeinten Nation und eines machtvollen großdeutschen Reiches", heißt es im "Kondolenzbuch". Die "Freien Heiden Südwest" haben geschrieben: "Wir ziehen den Helm und neigen das Haupt zum Gedenken." Ein "Gefährte der Artgemeinschaft" hegt verschwörerische Gedanken: "Du hattest einen Schlaganfall, wie Rudolf Heß sich umgebracht hat und die Erde eine Scheibe ist." Er habe "an dem Tag, an dem Du uns verlassen hast", noch mit Rieger telefoniert, schreibt der Kondolierende. Riegers Geist sei wach und klar gewesen. "Heil Dir!" steht unter dem Eintrag.

Wie es in der NPD jetzt weitergehen wird, ist noch unklar. In der Bundespartei erwarten Beobachter einen Machtkampf - aus dem der als gemäßigt geltende Zweig als Gewinner über Riegers Freund und Parteivorsitzenden Udo Voigt hervorgehen könnte. Die Geschäfte in der Hamburger NPD, der Rieger seit Februar 2007 vorstand, wird sein bisheriger Stellvertreter Torben Klebe (33) übernehmen. Der Bramfelder war lange für das internationale Nazi-Netzwerk "Blood and Honour" tätig.