Das Dilemma der Genossen: Als Opposition müssten sie eigentlich ablehnen, doch es gibt Abweichler.

So viel Aufmerksamkeit genießen die Sitzungen der SPD-Bürgerschaftsfraktion sonst nicht: Als die 45 Abgeordneten gestern Nachmittag den nicht sehr großen Raum 186 im Rathaus betreten wollten, mussten sie sich durch ein Spalier von Kameras und Mikrofonen drängen. Die spannende Frage lautete: Wie viele Abweichler wird es in den Reihen der SPD-Opposition bei der Abstimmung über das Schulgesetz morgen in der Bürgerschaft geben? Konkret: Wie viele Sozialdemokraten stimmen für das schwarz-grüne Prestigeprojekt? Die Antwort gab es gestern Abend: bis zu fünf.

Mehr als drei Stunden hatte die SPD-Fraktion diskutiert, hatten die Reformgegner die Befürworter zu überzeugen versucht. Um 20.18 Uhr verkündete der schulpolitische Sprecher Ties Rabe das Ergebnis: "Wenn das Schulgesetz insgesamt am Ende zur Abstimmung kommt, wird die SPD geschlossen dagegen stimmen, weil wir mit den Strukturreformen nicht einverstanden sind." Sollte es allerdings zu einer Einzelabstimmung der Reform-Punkte kommen - das will die Linke-Fraktion beantragen - behielten sich fünf Abgeordnete vor, zumindest für die Einführung der Primarschule zu stimmen. Namen nannte Rabe nicht, nach Abendblatt-Informationen gehören Ver.di-Chef Wolfgang Rose, Ex-SPD-Chef Mathias Petersen und Thomas Böwer dazu. "Dass Einzelne noch mal darüber nachdenken, kann man nachvollziehen", sagte Fraktionschef Michael Neumann und lobte die "sehr gute und fruchtbare Diskussion. Alle haben sich bewegt."

Tatsächlich ist die Lage für die SPD heikel: Strategisch gesehen wäre es kontraproduktiv, wenn die größte Oppositionspartei bei einer der wichtigsten Entscheidungen der Koalition in dieser Legislaturperiode nicht geschlossen in der Ablehnung wäre. So drang im Laufe der mehrstündigen Beratungen der SPD-Fraktion denn auch nach draußen, dass es nicht zuletzt darum geht, wie die Befürworter der Reform ihr Nein in der Abstimmung gut begründen können. Politik ist eben manchmal verrückt.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hat dagegen offensichtlich ihren Frieden mit der Schulreform gemacht, obwohl die Kosten des Projekts noch nicht geklärt sind. Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) hatte als Gast der CDU-Fraktionssitzung den Stand der Dinge erläutert. Nach Abendblatt-Informationen bleibt es dabei, dass es nur Schätzungen für den Kostenrahmen gibt. So werden die Baukosten mit 190 Millionen Euro angesetzt. Rabe geht aber davon aus, dass wichtige Posten in dieser Rechnung nicht enthalten sind und geht von Gesamtkosten von bis zu 600 Millionen Euro aus.

Ohne Widerspruch blieb in der CDU-Fraktion auch der Plan der Koalitionsspitzen, das Schulgesetz morgen in erster und zweiter Lesung und damit endgültig zu beschließen. Auch die SPD-Fraktion will dem nicht im Wege stehen. Ursprünglich war vorgesehen, die zweite Lesung erst am 4. November anzusetzen.

Dafür war der Protest außerhalb der CDU-Fraktion umso heftiger. Der Landesfachausschuss (LFA) Bildung der CDU warf der Koalition vor, die Schulgesetz-Novelle "in kürzester Zeit" durchbringen zu wollen. Das gefährde "eine seriöse Gesetzesarbeit". Der frühere Bildungs-Staatsrat Reinhard Behrens, Mitglied im LFA Bildung, sieht einen Verstoß gegen den einstimmigen Beschluss des CDU-Parteitages vom 14. Juli, wonach erst die Finanzierung der Reform geklärt sein muss, ehe die CDU dem Schulgesetz zustimmen kann.

Marino Freistedt, der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, räumte ein, dass es "einige offene Fragen" hinsichtlich der Finanzierung gab. Freistedt rechnete aber damit, dass Goetsch die Fragen beantworten könne.