Die Elfjährige aus dem Stadtteil Wilhelmsburg starb Mitte Januar an einer Methadon-Überdosis. Nun wird gegen sechs Betreuer ermittelt.

Wilhelmsburg. Mehr als vier Monate nach dem Methadon-Tod des elfjährigen Pflegekindes Chantal hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen konkretisiert: Es seien Verfahren gegen fünf Mitarbeiter des Jugendamts und gegen eine Sozialarbeiterin des freien Trägers Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE) eingeleitet worden, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Beschuldigten stehen in dem Verdacht, ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzt zu haben. Zuvor war gegen unbekannt ermittelt worden. Chantal war am 16. Januar 2012 an einer Überdosis Methadon gestorben.

Auch gegen die Pflegeeltern der elfjährigen Chantal, die wohl nach der Einnahme einer einzigen Tablette des Heroinersatzstoffes starb, wie die Untersuchung durch Rechtsmediziner ergab, wird noch immer ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat vier neue Zeugen vorgeladen, die in den kommenden Tagen befragt werden sollen. Die Pflegeeltern hatten lange behauptet, nicht zu wissen, woher die Tablette stammte, an der Chantal starb. Dann wurden bei Durchsuchungen 31 Methadon-Tabletten in der Garage der Familie in Wilhelmsburg und eine am Arbeitsplatz des Pflegevaters entdeckt. Gleichzeitig kam heraus, dass beide Pflegeeltern jahrelang im Methadon-Programm eingebunden waren. Ob die tödliche Tablette auch aus dem Arsenal der Pflegeeltern stammt ist aber ungeklärt.

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Die Ermittler erhoffen sich durch die Zeugenbefragung insbesondere Erkenntnisse darüber, was genau in den Stunden vor dem Tod des Mädchens geschah. Wer diese Zeugen sind, ist bislang nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht dazu äußern.

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Ersten Erkenntnissen zufolge könnte das Mädchen die Tablette bereits am Sonntagabend vor seinem Tod eingenommen haben. Am Montagabend war es von seiner Pflegemutter leblos in seinem Bett entdeckt worden.

Zuletzt hatte ein Eckpunktepapier der Sozialbehörde zur Reform des Pflegekinderwesens im Jugendausschuss für Aufregung gesorgt. Das Papier sieht vor, das Zusammenführen von Pflegekindern und -familien wieder weitestgehend in die Hände der Jugendämter zu legen. Bislang sind freie Träger dafür zuständig. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) will den Trägern deshalb vorsorglich kündigen, brachte damit jedoch die Opposition gegen sich auf. Grund: Die Kündigungen würden erfolgen, bevor über das Papier abschließend entschieden wurde. Denn das soll erst im Herbst passieren.