In den Bezirken entstehen Jugendberufsagenturen. Der Senat will allen jungen Hamburgern bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz helfen.

Hamburg. Es gibt junge Menschen, die nach ihrer Schulzeit einfach vom behördlichen Radar verschwinden. Da macht ein Jugendlicher seinen Hauptschulabschluss und hat einen Ausbildungsplatz. Aber nach wenigen Monaten wirft er hin und jobbt stattdessen erst einmal in einem Supermarkt - ohne berufliche Ausbildung und Qualifikation. Und keine Institution hat ihn mehr von sich aus im Blick.

Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. In allen sieben Bezirken richten die Arbeits- sowie die Schulbehörde, die Arbeitsagentur und das Jobcenter team.arbeit.hamburg gemeinsam Jugendberufsagenturen ein. Die Agenturen sollen zentrale Anlaufstelle für alle jungen Menschen bis zum Alter von 25 Jahren sein. Aber umgekehrt sollen die Mitarbeiter vor allem die Jugendlichen im Blick behalten und beraten, die keinen Schulabschluss und keinen Ausbildungsplatz haben.

+++ Hamburg: Zahl der Ausbildungsplätze steigt kräftig +++

+++ Ausbildungsberufe in Hamburg mit den meisten Angeboten +++

"Wenn der Übergang von der Schule in den Beruf misslingt, folgt in der Regel ein ziemlich langer Grundsicherungsbezug", sagte Arbeitssenator Detlef Scheele (SPD) gestern bei der Präsentation des Konzepts. "Nach dem Ende der Schulpflicht wissen wir nicht mehr, wo die jungen Leute sind. Das ist wie eine Blackbox", sagte Scheele. "Von den 6500 Schulabgängern ohne Abitur wissen wir bei 1185 Jungen und Mädchen nicht, wo sie hingegangen sind", umreißt Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Dimension des Problems.

Um zu verhindern, dass ein Jugendlicher "durch den Rost" fällt, soll in den Jugendberufsagenturen ein umfassendes Register aller Schulabgänger aufgebaut werden. Bereits in den schulischen Berufsinformationen von Klasse acht an sollen Mitarbeiter der Arbeitsagentur die Jugendlichen ansprechen, ob sie ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen. Eine direkte Übernahme aus dem zentralen Schülerregister lässt der Datenschutz nicht zu. "Wir rechnen damit, dass die Bereitschaft nahe 100 Prozent liegt", sagte Scheele.

Rabe sprach von einer "aktiven Begleitung" der jungen Leute, die Schwierigkeiten beim Übergang Schule-Beruf haben. Nach den Worten Scheeles soll die Kontrolle verstärkt werden. "Ideal wäre es, wenn die Jugendberufsagentur schon informiert wird, wenn der Abbruch der Ausbildung bei einem Jugendlichen droht, nicht erst, wenn es zu spät ist", sagte Scheele. Dann setze eine Reihe von Reaktionen ein: "Brief, Anruf, Hausbesuch." Bislang, so Scheele, drohten Sanktionen, wenn ein Auszubildender nicht am Arbeitsplatz erscheint oder die Berufsschule schwänzt. "Wir wollen in Zukunft eine paradoxe Intervention: Wir wollen helfen und fragen nach den Ursachen für einen Abbruch der Ausbildung", so Scheele.

Die Jugendberufsagenturen sind ein Eckpfeiler des Konzepts zum Übergangs von der Schule in den Beruf, das sich der SPD-Senat vorgenommen hat. "Unser Ziel ist es, dass alle jungen Erwachsenen in Hamburg entweder das Abitur machen oder eine klassische Berufsausbildung absolvieren", heißt es im Regierungsprogramm des Senats.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat mehrfach in Reden betont, dass dieses Versprechen für ihn eine "Herzensangelegenheit" sei. Die SPD wolle den jungen Menschen, die noch keinen Abschluss oder keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, "Türen öffnen", ihnen aber auch, wenn dies nötig sei, über die Schwelle helfen.

"Kein Jugendlicher darf verloren gehen", betonte auch Sönke Fock, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Hamburg. Die Jugendberufsagentur sei als "Startblock zu verstehen, von dem aus Schüler ihren Weg in eine Ausbildung oder ein Studium gehen werden". Fock hält es für möglich, dass die Zahl arbeitsloser Jugendlicher zunächst einmal ansteigt, wenn in Zukunft genauer nachgesehen wird. Im April waren 4893 Menschen unter 25 Jahren in Hamburg arbeitslos gemeldet.

Der Unternehmensverband Nord (UV Nord) unterstützt den Aufbau der Jugendberufsagenturen. "Wir können es uns nicht leisten, Jugendliche auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit zu verlieren", sagte UV-Nord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich. "Wir wollen jedem eine Chance geben." Angesichts des absehbaren Fachkräftemangels seien die Perspektiven selten so gut wie heute gewesen.

Der CDU-Bildungspolitiker Robert Heinemann begrüßte die Einrichtung von Jugendberufsagenturen. "Der Senat greift unsere Initiative auf, den Übergang zwischen Schule und Beruf auszubauen", sagte Heinemann. Der damalige CDU-Senat hatte bereits 2004 eine Reform der beruflichen Bildung mit der Wirtschaft vereinbart.

Die FDP-Bildungspolitikerin Anna von Treuenfels begrüßte, dass die SPD "den Schritt zur Jugendberufsagentur im Schulterschluss mit der Wirtschaft" gehe. Stefanie von Berg (GAL) bemängelte dagegen, dass "die freien Träger, die am dichtesten an den Jugendlichen dran sind, kaum oder gar nicht in die Beratungen einbezogen" worden seien. Im Übrigen sei es ein "Irrglaube", dass man die Jugendlichen durch "freundliche Belagerung und geduldiges Erklären ins Boot holen" könne.

"Was in Hamburg fehlt, sind Tausende von Ausbildungsplätzen, aber keine Jugendberufsagenturen", sagte Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn. "Die Jugendberufsagentur ist ein zahnloser Papiertiger ohne realen Bezug zur Lebenswelt der betroffenen Jugendlichen", sagte Petra Lafferentz vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Arbeitsagentur-Chef Fock betonte, dass die Jugendberufsagentur keine neue Behörde sei. Die ersten Agenturen werden im September in den Bezirken Harburg und Mitte eröffnet.